Für Alessandro Schöpf ist die Höhenluft nichts Neues. War es für den im 1031m hoch gelegenen Umhausen geborenen Tiroler noch die sprichwörtliche Höhenluft der Ötztaler Alpen, ist es spätestens mit dem Wechsel zu Schalke und der Einberufung ins Nationalteam nun die seines eigenen Höhenflugs. Beim SV Längenfeld nahm der steile Karriereweg des am Boden gebliebenen Offensivspielers seinen Anfang. Über die Tiroler Akademie wagte der damals 15-jährige Alessandro Schöpf den Sprung zum FC Bayern München und arbeitete sich step by step bis zu den Amateuren nach oben. Oftmals trennt sich gerade in diesem Abschnitt die Spreu vom Weizen. Ende 2013 folgte dann der erste Profivertrag bei Bayern München und einige Trainingseinheiten unter Pep Guardiola. Zweieinhalb Jahre später ist viel passiert. Nach dem damaligen Schritt in die 2. Bundesliga avancierte er in eineinhalb Jahren beim Traditionsklub 1. FC Nürnberg zum Leistungsträger. 51 Spiele, 11 Tore und 11 Assists riefen nicht nur die Verantwortlichen des FC Schalke 04 auf den Plan. Die Königsblauen sicherten sich im Januar diesen Jahres schließlich die Dienste des Tirolers und ließen sich dies zwischen fünf und sechs Millionen kosten. Nach starken Leistungen in der deutschen Bundesliga führte auch für Teamchef Marcel Koller im März kein Weg daran vorbei, den offensiven Mittelfeldspieler ins A-Team und in weiterer Folge in den EM-Kader einzuberufen. Sieben Spiele und eine Europameisterschaft später kann Schöpf auf sieben Einsätze und zwei Treffer zurückblicken – eine stolze Bilanz. In Griechenland, dessen Mannschaft im Vorhinein zum Zuschauen verdammt war, erholte sich der Schalke-Legionär von der EM und gewann etwas Abstand von einem Mix aus Freude und Enttäuschung. Nach seinem Urlaub stand Alessandro Schöpf dem SPIELER Rede und Antwort und sprach unter anderem über sein EM-Resümee, die medial transportierte „Tellerwurf“-Causa im Lager der Nationalmannschaft.
Du bist neben Ivica Vastic, nach deinem Treffer gegen Island, Österreichs zweiter EM-Torschütze. Zum Aufstieg hat es trotz der großen Erwartungen nicht gereicht. Wie lautet dein persönliches Frankreich-Resümee?
Ich glaube für mich persönlich war es eine gute Europameisterschaft, ich hab’ in jedem Spiel auflaufen dürfen und zum Schluss ist mir auch noch ein Tor gelungen. Es war eine schöne Erfahrung, ich habe viele Eindrücke sammeln können und habe sicher wieder etwas dazugelernt. Allein bei so einem Turnier dabei sein zu können ist schon viel wert. Wir haben uns aber vor der EM auf alle Fälle den Einzug ins Achtelfinale vorgenommen. Es hat ehrlich gesagt sehr weh getan, dass wir ausgeschieden sind.
In einem ORF-Interview nach der Niederlage gegen Island klang es so, als wolltest du dich für die vergebene Chance entschuldigen und das Ausscheiden ein Stück weit auf deine Kappe nehmen. Wie lange hast du dieser Chance noch nachgetrauert?
Im Spiel selbst hab’ ich mir nach der vergebenen Chance gedacht, dass wir sicher noch unsere Möglichkeiten bekommen und das Spiel gewinnen werden. Echte Torchancen haben sich dann aber leider keine mehr ergeben. Natürlich denkt man dann an die eine Chance. Wenn ich das Tor mache, steht es 2:1 und wir sind wahrscheinlich weiter. Ich habe noch zwei, drei Tage daran gedacht, auch vor dem Einschlafen und alles Revue passieren lassen. Ich wollte den Ball natürlich im Tor unterbringen. Aber so ist Fußball, man muss nach solchen Situationen weiter nach vorne schauen.
Wie hast du die Atmosphäre in Frankreich wahrgenommen?
Die Stimmung war unglaublich! Uns haben bekanntlich sehr viele Österreicher unterstützt, das Spiel gegen Island war fast wie ein Heimspiel für uns. Umso bitterer, dass wir die Riesenunterstützung der Fans nicht mit dem Aufstieg belohnen konnten.
Auf die Euphorie folgte der große Frust. Österreich hat bekanntlich um die acht Millionen Teamchefs, die es besser gewusst hätten. Wie gehst du mit Negativschlagzeilen und Kritik um?
Wenn der Erfolg nicht so da ist, ist es nur logisch, dass kritische Stimmen laut werden. Fußball wäre nicht so populär, wenn es nicht so viele Diskussionen geben würde, das gehört dazu. Das soll uns aber nicht beeinflussen, wir müssen unsere Leistung auf dem Platz bringen. Wir werden jetzt alles dafür tun, um in der WM-Qualifikation gute Spiele abzuliefern und uns zu qualifizieren. Ich bin optimistisch, dass wir das schaffen und hoffe, dass ich da auch wieder dabei bin. Man ist gerne beim Nationalteam, da trifft man auf super Charaktere, umso mehr hat auch das Ausscheiden mit so einer Mannschaft weh getan.
Kurz nach der EM war von schlechter Stimmung innerhalb der Mannschaft und von einem „Tellerwurf“ die Rede…
Die Stimmung war immer gut und man hat wirklich immer gemerkt, dass der Teamgeist da ist und alle zueinander halten. Ich persönlich habe auch ein gutes Gefühl gehabt, natürlich ist man nach so einem Start wie gegen Ungarn enttäuscht. Man verliert nie gern, aber das passiert. Wir wissen, dass wir nicht die beste Leistung abgerufen haben. Es war aber nicht alles falsch, was wir gemacht haben, weshalb wir jetzt in die Zukunft schauen müssen. Von solchen Gerüchten sollten wir uns nicht vom Wesentlichen ablenken lassen.
Hast du den Team-Rücktritt von Kapitän Christian Fuchs kommen sehen?
Überraschend war es auf jeden Fall, weil er gar keine Andeutungen vor oder während der EM gemacht hat. Da habe ich schon kurz geschluckt. Es ist aber seine Entscheidung, er hat einiges geleistet für das Nationalteam und braucht sich nicht weiter zu rechtfertigen.
Wer ist deiner Meinung nach der logische Nachfolger für das Kapitänsamt?
Wer in Zukunft die Kapitänsschleife tragen wird, weiß ich noch nicht, das wird wahrscheinlich der Trainer entscheiden.
Österreich hat im Nachhinein betrachtet 0:0 gegen den Europameister gespielt. Portugal hat sich diesen Titel mit nur einem „echten“ Sieg nach 90 Minuten gesichert – für dich ein verdienter Champion?
Ich war schon überrascht und dachte, dass Frankreich gewinnen wird. Portugal hat aber auch das nötige Glück im Turnier gehabt, wenn man zum Beispiel an die drei Unentschieden in der Vorrunde denkt und daran, dass sie nur als Gruppendritter aufgestiegen sind. Genau dieses Glück braucht es aber auch. Portugal hat zudem aus wenigen Chancen Tore gemacht. Das Glück haben sie sich erarbeitet, weshalb der Titel nicht unverdient ist.
Superstar Cristiano Ronaldo hatte mit seiner Verletzung im Finale weniger Glück, trat mit viel Emotionen vom Feld und kam später als vermeintlicher „Co-Trainer“ zurück ins Rampenlicht. Wie stehst du zu solchen Spielertypen?
Gerade bei so einem Welt-Star gehört meiner Meinung nach viel Show dazu. Er weiß, was er machen muss, um im Blickpunkt zu stehen. Wenn er das so machen will, dann soll er das auch. Wichtig ist, dass man sich schlussendlich auf das Fußballspielen konzentriert, damit das Wesentliche nicht ins Hintertreffen gerät.
Welche Mannschaft hat für die größte Überraschung der EM gesorgt?
Neben Portugal hat mich Island schon etwas überrascht. Speziell hätte ich nicht damit gerechnet, dass sie die Engländer aus dem Turnier werfen, das war schon beeindruckend.
Beeindruckend ist auch deine bisherige Laufbahn. War der frühe Gang ins Ausland das Um und Auf für deine Karriere?
Ein Patentrezept gibt es nie! Für mich persönlich war es sicher der richtige Weg und ich würde alles genau noch einmal so machen, müsste ich mich entscheiden. Ich kenne aber genügend Spieler, die über Österreich im Profifußball gelandet und dann erst ins Ausland gewechselt sind. Für mich war es gut, früh von der Familie und den Freunden weg zu sein, weil ich einiges in puncto Selbstständigkeit und Durchsetzungsvermögen dazugelernt habe. Aber die Akademien in Österreich sind sehr gut und man kann sicher hierzulande zum Bundesliga-Profi reifen.
Auf welche Dinge musstest du rückblickend bereits in jungen Jahren verzichten?
Wenn man Fußballer werden will ist es bekanntlich schwierig mit den Freunden, die unter der Woche arbeiten, am Wochenende fortzugehen und zu feiern. Da muss man schon einiges auslassen. Ich musste aufgrund meines Wechsels zu Bayern früh auf meine Freunde verzichten und in einem neuen Umfeld bei null anfangen.
Von den Bayern Amateuren bist du über den 1. FC Nürnberg in die Deutsche Bundesliga – ist die 2. Bundesliga ein empfehlenswertes Sprungbrett?
Das glaube ich schon. Deutschland ist natürlich größer, auch was den Fußball betrifft und die 2. Bundesliga ist sicherlich mehr im Fokus als beispielsweise die Österreichische Bundesliga. Die Liga zählt sicher zu den drei besten zweiten Ligen in Europa.
Zu den besten Klubs Europas zählt auch der FCB. Du hast einen nicht unwesentlichen Teil deiner fußballerischen Ausbildung in München verbracht, bist dort aber nie für die Kampfmannschaft aufgelaufen. Gibt es den latenten Wunsch, einmal für die Bayern aufzulaufen?
Nein, eigentlich gar nicht. Ich konzentriere mich voll und ganz auf Schalke. Ich bin ein Mensch, der in der Gegenwart lebt, Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft. Bayern München ist eine Weltmacht, sie haben überragende Spieler in ihren Reihen und verfügen über die dazu notwendigen finanziellen Möglichkeiten.
Kommen wir zu deinem aktuellen Klub Schalke 04. Was hast du dir nach einem guten Start bei den Knappen vorgenommen?
Ich will der Mannschaft mit dem was ich kann helfen und so viele Spielminuten wie möglich auf dem Spielfeld stehen. Ich werde beim Training Gas geben und habe natürlich das Ziel, Stammspieler zu werden. Jetzt freue ich mich in erster Linie einfach auf die Vorbereitung und dann wird man sehen, ob ich spiele oder nicht.
Schalke ist ein Verein mit riesigem Fanpotenzial, hinkt aber des Öfteren den hohen Erwartungen hinterher und blieb zuletzt nicht von der ein oder anderen Krise verschont. Wieviel Unruhe ist bei so einem Verein spürbar?
Alles bekommt man nicht mit, aber spurlos gehen diverse Schlagzeilen und Probleme auch nicht an uns vorbei. Ich kann mich da aber nur wiederholen – wir können solche Phasen nur mit guten Leistungen und Erfolgen positiv beeinflussen.
Wie gehst du mit Phasen um, in denen es für dich persönlich einmal nicht so läuft, wie du es dir erwartest?
Es ist schon schwierig, wenn man denkt, man hat alles gegeben und gut trainiert, spielt aber dann trotzdem nicht. Der Trainer muss sich auf elf Spieler festlegen, da sind manchmal harte Entscheidungen dabei, aber er will ebenfalls Erfolg haben. Auch wenn es für einen selbst hart ist, muss man die ganze Situation sehen. Schließlich kann man auch von der Bank noch etwas bewirken. Für den Trainer sind solche Entscheidungen ebenso nicht immer einfach. Es bringt nichts deshalb zu diskutieren und Unruhe reinzubringen. Der Trainer sitzt immer noch am längeren Ast.
Wer sind deine Stützen an schlechten Tagen?
In Gelsenkirchen ist das auf jeden Fall meine Freundin, die bei mir wohnt. Mit ihr kann ich auch nach dem Fußball abschalten und an etwas anderes denken. Es wäre auch nicht so clever rund um die Uhr nur an Fußball zu denken. Schließlich ist es dann doch „nur“ Fußball. Es gibt noch wichtigere Dinge im Leben, das wird einem spätestens bewusst, wenn man so manche Nachrichten liest bzw. sieht. Ich schätze mich glücklich, dass ich professionell Fußball spielen kann und bin froh, dass ich gesund bin. Abgesehen von meiner Freundin habe ich hier allgemein schon ein gutes Umfeld aufgebaut.
Gelsenkirchen ist nicht als die schönste Stadt Deutschlands bekannt – spielen die Möglichkeiten und der Charme der Stadt, in der du lebst, eine Rolle für dich?
Das ist für mich relativ unwichtig. Ich bin da, um erfolgreich Fußball zu spielen und mich persönlich weiterzuentwickeln. Gelsenkirchen ist vielleicht nicht die schönste Stadt, aber es gibt rundherum im Ruhrgebiet einige Städte, die einen Ausflug wert sind. Düsseldorf, Essen, Köln – dort gibt es dann auch andere Möglichkeiten.
Vom Ruhrpott nach China – wäre ein Wechsel in „exotische“ Länder für dich vorstellbar?
In meinem Alter würde ich natürlich auf keinen Fall nach China wechseln. Aber später einmal könnte es schon ein Thema sein, einmal in exotischere Fußball-Länder zu wechseln.
Welche Vereine und Ligen versprühen einen besonderen Reiz auf dich?
Ich bin von klein auf Fan von Manchester United. Also wenn der Verein einmal anklopfen sollte, müsste ich wahrscheinlich nicht lange überlegen.
Gemeinsam mit David Alaba, Marko Arnautovic, Kevin Wimmer und Martin Harnik gehörst du zu jenen aktuellen Teamspielern, die kein einziges Match in Österreichs Bundesliga absolviert haben. Könnte sich das irgendwann noch einmal ändern oder schließt du das kategorisch aus?
Ich bin sehr gerne daheim, aber ich muss jetzt nicht unbedingt am Ende meiner Karriere in Österreich spielen. Das wird man in Zukunft sehen, natürlich kann ich mir gut vorstellen, später in Tirol zu leben.
Zum Abschluss: Was wissen die wenigsten über dich?
Ich spiele sehr gerne Backgammon. Ich treffe mich regelmäßig mit Kollegen, um mich mit ihnen beim Backgammon zu matchen. Es ist eine gute Ablenkung und macht richtig Spaß.
Sollte es – aus welchen Gründen auch immer – nicht zum Backgammon-Profi reichen: In welchem Bereich könntest du dir vorstellen nach deiner Fußballer-Karriere zu arbeiten?
Auf jeden Fall möchte ich im Fußballgeschäft bleiben, was es dann genau ist hab’ ich mir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht überlegt. Zuviele Gedanken will ich mir darüber auch noch nicht machen und zu weit in die Zukunft schauen, ich konzentriere mich in erster Linie auf die Gegenwart. Vieles kommt dann ohnehin von selbst.