„Die Euro ist aus meiner Sicht nicht Vergangenheit“, meint Erfolgscoach Thalhammer im ÖFB-Magazin Corner. „Das Erlebnis und dieser Spirit begleiten uns. Ich weiß, dass man sich um den Erfolg nichts mehr kaufen kann. Aber trotzdem tragen wir das noch in unseren Herzen.“ Viel hat er mit seinen Damen erreicht, aber sie geben sich noch lange nicht zufrieden. Der Weg soll kontinuierlich nach oben und zum nächsten Großereignis führen.
Man ist eben auf den Geschmack gekommen und der Hunger wird größer. „Weil das Team sehr selbstkritisch und lernwillig ist.“ Thalhammer als Perfektionist ohnehin. „Ich denke, es ist immer noch einiges optimierbar. Es laufen einige Ideen im Verband, die hoffentlich noch zur Umsetzung kommen. Mit dem Rückenwind der Euro wird der Zulauf immer größer.“ Derzeit handelt es sich nur um subjektive Wahrnehmungen, konkrete Zahlen gibt es noch nicht. „Diese Fakten muss man abwarten, ehe man ein Urteil abgeben kann“, meint Thalhammer. Das Euro-Sommermärchen hat aber einiges bewegt im Land in Sachen Frauenfußball, soviel ist jetzt schon klar.
Es gibt aber Zahlen, die den Hype um das Frauenteam eindeutig belegen. In den sozialen Netzwerken sind die rot-weiß-roten Fußballerinnen präsent wie nie zuvor, sorgsam, dezent und sympathisch pflegen sie ihre Accounts als öffentliche Außendarstellung. Allen voran Laura Feiersinger, die auch teamintern als „Style-
Ikone“ betrachtet wird. Aber nicht nur die Fans, auch der ORF hat seine helle Freude mit dem Frauenteam. Aufgrund des anhaltenden Erfolges erlebte man am 23. November Historisches: Erstmals wurde mit der Partie gegen Israel in der Südstadt ein Qualifikationsspiel live auf ORFeins übertragen.
Beeindruckende Zahlen
Eine Studie von United Synergies spricht Bände. Im Jahr 2017 berichteten die TV-Sender bisher 63 Stunden über das Frauen-Nationalteam. Zum Vergleich, 2016 waren es nicht einmal 14 Stunden gewesen. Der Medienwert betrug 2017 insgesamt mehr als 18 Millionen Euro. Durchaus beeindruckend waren die Einschalt-Quoten im ORF. Die Vorbereitungs-Spiele auf die EM wurden noch auf ORF Sport+ gezeigt, dementsprechend gering war das Zuschauer-Interesse. Das Duell mit den Niederlanden, später Turniersieger, sahen 8.000 Zuschauer.
Vier von fünf EM-Spielen wurden auf
ORFeins übertragen, gegen Spanien (Viertelfinale) und Dänemark (Halbfinale) waren mehr als 1,2 Millionen Österreicher/innen mit von der Partie. Damit müssen die Frauen den Vergleich mit den Männern keineswegs scheuen, stehen sie doch genauso hoch im Kurs: Denn das Herren-WM-Qualifikationsspiel gegen Wales sahen „nur“ 1,05 Millionen Fußballfans.
2014 erreichte der ÖFB insgesamt einen Werbewert von 48 Millionen Euro über das Fernsehen, insgesamt über alle Medienkanäle von 65 Millionen Euro. Schon damals meinte Alfred Ludwig, zu dieser Zeit noch ÖFB-Generaldirektor, jetzt Pensionär: „Erfreulich ist, dass von den 80 Stunden TV-Berichterstattung 20 Stunden für das Frauen-Nationalteam und die Nachwuchsmannschaften aufgewendet werden. Den TV-Partnern sind eben auch diese Themenbereiche wichtig.“ Seitdem sind die Damen immer mehr in den Blickpunkt gerückt.
Was aber bewirkt der Hype um das Nationalteam für den Alltag des Frauenfußballs in Österreich? Merkt die österreichische Frauen-Bundesliga positive Auswirkungen der sommerlichen Erfolge?
Spürbarer Boom
Der FK Austria Wien intensiviert beispielsweise seit einiger Zeit die Kooperation mit dem USC Landhaus. Die violetten Mädels im Austria-Dress spielen somit in der
ÖFB-Frauen-Bundesliga, belegten im Vorjahr den vierten Platz und wollen nun angreifen. Im September 2017 wurden auch die ersten zwölf Mädchen in Leistungssportklassen des Ballsportgymnasiums Wien (Kooperationsschule der Austria) aufgenommen. „Der Hype ist absolut spürbar“, versichert Austrias AG-Vorstand Markus Kraetschmer. Der Zulauf ist größer geworden, „ebenso die Anmeldungen und die Probetrainings. Auch innerhalb des Vereins ist die Akzeptanz gestiegen.“ Das Frauenteam ist ein vollwertiger Teil des Klubs. „Sie sind voll integriert.“ Zudem gestalten sich mittlerweile die Gespräche mit möglichen Sponsoren für das Frauenteam viel positiver und leichter. „Wir merken, dass die Sponsoren viel Interesse an einem Engagement in diesem Bereich zeigen.“ Kraetschmer ist sich daher für die Zukunft sicher: „Der Boom wird weitergehen.“
Das sportliche Ziel ist ähnlich wie jenes beim Herrenteam. In der neuen Generali Arena wollen die Veilchen Champions-League-Qualifikation spielen, sowohl bei den Frauen als auch bei den Herren. „Das ist unser Traum. Man sieht, dass sich auch beim Frauenfußball viel bewegen kann, wenn man für professionelle Strukturen sorgt.“ Landhaus fordert in der Liga Favorit St. Pölten. Noch ist man die Nummer zwei.
Alltagsgeschichten
Die Fußballerinnen aus St. Pölten sind in der heimischen Liga das Maß aller Dinge, dicht gefolgt eben von Landhaus. Neulengbach hingegen will in zwei, drei Jahren dort sein, wo man Saison für Saison einst war: an der Spitze. Neulengbach hat den Frauen-Kick in Österreich salonfähig gemacht und folglich jahrelang nach Belieben dominiert.
Stets am Ball war und ist Maria Gstöttner. „Im Sommer gingen zehn Spielerinnen weg, wir standen kurz vor dem Aus. Finanziell war fast nichts mehr vorhanden, jetzt haben wir einen guten Sponsor, der uns sehr hilft.“ Die aufgelöste 2. Mannschaft soll im kommenden Jahr wieder gebildet werden. „Wir sind eine sehr junge Truppe. Neulengbach ist nicht groß, daher ist es schwierig, große Sponsoren zu bekommen.“ Die Folgen der tollen EM halten sich im Liga-Alltag noch in Grenzen. „Bei den Zusehern hat sich nicht sehr viel getan. Vor Saisonbeginn hatten wir zwei Tage lang Sichtungstrainings, da sind zehn Mädchen gekommen.“ Im Frühjahr ist diese Aktion noch einmal geplant. Generell merkt Gstöttner aber, dass „mehr Mädels Fußball spielen, oft in Teams mit Burschen“.
Der EURO-Hype beschränkt sich laut der 35-fachen Nationalteamspielerin (5 Tore) in erster Linie auf das ÖFB-Team. „Medial hat sich viel getan, das Team hat im ORF viel mehr Präsenz als früher, auch in den Zeitungen.“ Erstmals wurde ein Liga-Spiel – zwischen St. Pölten und Landhaus – sogar live übertragen. „Da ist schon sehr viel weitergegangen. Aber in erster Linie gilt der Fokus den Teamspielerinnen. Die Frage ist, wie man die österreichische Liga attraktiver machen kann.“ Vielleicht ergibt sich aus dem neuen TV-Vertrag für die Herren-Bundesliga eine Möglichkeit auch für die Frauen. „Da kann man sicher mehr machen“, so die 33-Jährige.
Geduld gefragt
Wie bei den Herren besteht auch das Frauen-Team großteils aus Legionärinnen. „Viele glauben vielleicht mit 17 Jahren, sie müssen mit Ende der schulischen Ausbildung gleich den Sprung ins Ausland wagen. Ich glaube es ist besser, die Talente bleiben noch ein, zwei Jahre in der heimischen Liga und machen dann erst den nächsten Schritt. Das würde auch das Niveau der Liga heben.“ Dann hätte der Erfolg bei der EURO auch eine nachhaltige Wirkung für den Liga-Alltag.