Karriere

Sportdirektor made in Austria

Bereits 25 Österreicher sind als Spieler in der Deutschen Bundesliga tätig und stellen somit das größte „Ausländerkontingent“ bei unseren Nachbarn. Weniger im Rampenlicht stehen österreichische Akteure auf anderen Ebenen des deutschen Profifußballs, die sich aber durchaus mitverantwortlich für den Austro-Boom bei unseren Nachbarn zeichnen. Im Speziellen sprechen wir vom 42-jährigen Lavanttaler Gerhard Zuber.

Gerhard Zuber mischt seit Jahren in der Deutschen Bundesliga mit. Seine Hauptaufgabe als Sportlicher Leiter ist die Kaderplanung und aussichtsreiche Talente und Verstärkungen auf dem Radar zu haben. Er selbst arbeitet dabei im Duett mit Horst Heldt eher unter dem Radar. Und das ist auch gut so, wenn es nach ihm geht. Gerhard Zuber startete seine fußballerische Laufbahn spielend in Wolfsberg, von wo es ihn zu unterschiedlichen Vereinen wie Gratkorn, Fürstenfeld oder Allerheiligen in die Steiermark verschlug. Im Jahr 2009 endete die aktive Zeit und eine Erfolgsgeschichte nahm ihren Lauf. Aber alles der Reihe nach.

Von roten Teufeln zu den Roten

Gerhard Zuber studierte neben seiner aktiven Zeit als Fußballer Sport und Geografie/Wirtschaft auf Lehramt in Graz. Sein Probejahr absolvierte er am vor allem unter Sportlern renommierten BG/BRG Oeversee in Graz, übrigens zur selben Zeit, als Roman Wallner und Robert Almer genau dort die Schulbank drückten. Mit dem Einstieg des US-Konzerns IMG beim GAK wechselte Zuber – im Dienste des Unternehmens – in den Marketingbereich bei den roten Teufeln, später war er in gleicher Position beim damaligen Erstligist FC Gratkorn tätig. In der Zeit der EURO 2008 in Österreich wechselte Zuber zum ÖFB und war fortan als rechte Hand des damaligen Generaldirektors Alfred „Gigi“ Ludwig tätig. Unmittelbar nach der Heim-EM folgte er dem Ruf von Horst Heldt nach Stuttgart. War der Kärntner zunächst mit einigen Scouting-Aufträgen verantwortet, nahm er bald eine gewichtigere Rolle bei den Schwaben ein. Als der bisherige Chefscout des VfB Stuttgart sein Amt niederlegte, wurde Zuber zum Günstling des Moments. „Der scheidende Chefscout hat mich noch ein Jahr zur Seite genommen – ein Glücksfall für mich. Da habe ich gelernt in vielen Ländern schnellstmöglich up-to-date zu sein und du verstehst wie der Fußball in einzelnen Ländern gespielt wird, bekommst das rich

tige Verständnis für Scouting.“ Es gelte zuerst die Verstrickungen zu verstehen, um das gesamtheitliche Fußballbusiness zu verstehen, so Zuber. Im Februar 2011 folgte Zubers Transfer zum großen FC Schalke 04, wo er das Amt des Sportdirektors mehr als fünf Jahre bekleiden sollte. Erneut war er Horst Heldt gefolgt, der seines Zeichens ein gutes halbes Jahr zuvor als Vorstand Sport bei den Knappen verpflichtet wurde. Nach der Trennung von Horst Heldt verließ auch Gerhard Zuber die Schalker. Als Heldt im März 2017 bei Hannover 96 als Manager installiert wurde, dauerte es wiederum nur wenige Wochen, bis er seinen österreichischen Vertrauensmann zum damaligen Zweitligisten holte. Es folgte der sofortige Wiederaufstieg und ein erfolgreicher Saisonstart im deutschen Oberhaus.

Graz verbindet

Wie es eigentlich zur beruflichen Liaison von Heldt und Zuber kam? Der eine beim GAK, der andere im Dienste von Konkurrent Sturm Graz. Dennoch fanden die beiden zueinander. „Ich hatte auch bei Sturm viele Freunde und Bekannte. Als Fußballer kennt man sich, trifft sich, tauscht sich aus. Horst und ich hatten sofort einen guten Draht zueinander.“ Der ehemalige Sturm Graz-Kicker und heutige Manager von Hannover 96 beschreibt das Verhältnis zu Zuber in einem Interview wie folgt: „Es gibt viel zu tun, ich kann nicht überall sein. Zu Gerhard habe ich volles Vertrauen, er ist 1000-prozentig loyal.“ In ein ähnliches Horn stößt auch Zuber: „Das Verhältnis ist überragend gut, fast schon familiär. Wir ergänzen uns sehr gut, ansonsten kann man auch nicht über längeren Zeitraum Erfolg haben. Obwohl man immer glaubt, Schalke sei in dieser Zeit zehnmal abgestiegen“, spielt Zuber auf die Erwartungshaltung bei den Königsblauen an. Am Ende seiner Amtszeit lag Schalke immerhin auf Rang sieben der Fünf-Jahres-Wertung der UEFA. Für Zuber durchaus eine Bestätigung für die geleistete Arbeit.

Zuber, der Kaderschmied

Beim Traditionsklub aus Niedersachsen ist Gerhard Zuber heute in erster Linie für die Kaderplanung zuständig. „Ich verbringe viel Zeit mit der Mannschaft und unseren Spielern, aber speziell natürlich mit meinen Scouts, Spielerberatern und Informanten aus einem mittlerweile guten weltweiten Netzwerk“. Den größten Unterschied zwischen der früheren Station auf Schalke und Hannover 96 verortet der Lavanttaler in der Spielerakquise. „Als Schalke ist es natürlich einfacher, Spieler für dich zu interessieren. Da bist du auch international eine Hausnummer und kannst ganz andere Spieler angehen. Aber wir sind auf einem guten Weg und versuchen diese Lücke zu verkleinern.“ Täglich erreichen ihn unzählige Mails und Infos über Spieler, die ihm angeboten werden. Gefühlte 95% der Nachrichten würden im Müll landen, 5% verfolge man weiter. „Du wirst permanent überflutet – du musst ja nicht einmal eine Lizenz haben, um als Berater tätig zu sein und Spieler anzubieten.“ Die Schwierigkeit liege dabei auch darin, nicht genügend Zeit zu haben, jene erhaltenen Informationen immer auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen zu können, weshalb die verlässlichen Quellen aus dem aufgebauten Netzwerk viel wert seien. Die Königsdisziplin sei es aber ohnehin, Spieler zu bekommen, die nicht am Markt sind, erklärt der Kärntner. „Bei einem Verein wie Hannover muss man da auch spitzfindiger sein, als bei einem Klub wie Schalke“.

Back to the roots

Die Verwurzelung zur Heimat kann Zuber nicht bestreiten. Will und muss er auch nicht. Ein Blick auf die Schalke-Kaderzusammenstellungen der letzten Jahre lässt einen gewissen Hang zu Österreichern nicht vom Tisch kehren. „Natürlich ist das kein Zufall, weil du eben das Netzwerk, das du hast, auch bestmöglich nutzt. Österreich ist ein kleines Land, da kennt man sich.“ Mit Christian Fuchs fand unter der Federführung Zubers nach Eduard Glieder ein weiterer Österreicher den Weg in den Ruhrpott. „Ich habe natürlich versucht, den österreichischen Weg zu forcieren, das macht allein schon sprachlich Sinn. Transfers von Österreichern zu Schalke hatten aber in erster Linie natürlich immer mit Qualitätsmerkmalen zu tun, das steht im Vordergrund.“ Ein paar Mal im Jahr verschlägt es den Lavanttaler dann auch selbst wieder in die Heimat. „Ich schaue immer, dass wir das Trainingslager in meiner Kärntner Heimat durchführen.“ Gezielte Heimaturlaube seien ob der mageren Zeit nur zu Weihnachten möglich, da gerade nach der Saison mit den Analysen und Adaptionen der Spielerverträge ein wichtiger Teil der Arbeit des Österreichers beginnt. Ansonsten nutzt Zuber die Länderspielpausen, um in Österreich Länderspiele des A-Teams und der U-Mannschaften anzuschauen und dabei Freunde und Familie zu treffen. In seiner rar gewordenen Freizeit sei Footvolley ein „wichtiger Bestandteil meines Lebens, aber leider wird die Zeit dafür immer weniger und der Körper immer älter. Ich schaue aber, dass ich das ein oder andere Ranking noch spiele.“

Superstars und Top-Talente

Angesprochen auf die bisherigen Highlights seiner Karriere, fällt eine Antwort vor allem bei den zahlreichen Auftritten in Champions und Europa League nicht einfach, aber „speziell der Cupsieg in Berlin war schon ein einmaliges Erlebnis, das ich nicht missen möchte.“ Nicht unerwähnt bleiben in Folge die Halbfinal-Spiele in der Champions League gegen Manchester United. Auch die Zusammenarbeit mit Topspielern selbst zählt Zuber zu den besonderen Momenten seiner Laufbahn. Auf die kickenden Akteure angesprochen, sei es schwer, sich auf einige wenige Ballesterer festzulegen. „Spieler wie Raúl und Klaas-Jan Huntelaar waren definitiv herausragende Persönlichkeiten, mit denen die Arbeit wirklich Spaß gemacht hat. Gleichzeitig konnte man von ihnen auch einiges mitnehmen und lernen.“ Seine größten Transfercoups verortet Zuber aber weniger bei den genannten Spielern, „diese sind ja schon fertige Superstars. Viel spannender ist es, junge Spieler zu entdecken, zu holen und zu entwickeln. Da kannst du dich auszeichnen.“ Die Aufzählung der Toptransfers unter Zubers Führung ist eine illustre. Aus der 2. Liga lotste der damalige S04-Sportdirektor den von europäischen Topklubs heute heiß umworbenen Leon Goretzka damals vom VfL Bochum zum Kult-Klub, Arsenal-Stammspieler Sead Kolasinac fand von der U19 Stuttgarts den Weg über Schalke 04 auf die Insel. Zudem schafften aktuelle Topspieler wie Leroy Sane und Max Meyer in der Zeit des Lavanttalers bei den Knappen den Sprung in die Kampfmannschaft.

Der Schattenmann

Bei den erfolgreichen Statistiken wundert es beinahe, mit dem Namen „Zuber“ nicht deutlich häufiger in den Medien konfrontiert zu werden. Der Betroffene selbst zeigt sich alles andere als unglücklich darüber. „Es ist eigentlich genau das, was wir wollten. Horst übernimmt die komplette Kommunikationsschiene und ich kann mich ganz in Ruhe um den Sport kümmern. Was Perfekteres gibt es ja eigentlich gar nicht.“ Den ein oder anderen Termin abseits der täglichen Aufgaben nimmt Hannovers Sportlicher Leiter selbstredend dennoch wahr. Im harten Fußballgeschäft betont er im Gespräch: „Je mehr du in der Öffentlichkeit stehst, desto stressiger wird das Leben. Und es ist schon stressig genug. In dem Business schwimmst du schon in einem Haifischbecken. Es gibt nicht nur Leute, die dir etwas Gutes wollen!“ Der professionelle Umgang mit Drucksituationen gehört dennoch zu seiner Job Description, speziell wenn es um die Leistungen von Neuzugängen geht. „Man kann nie zu 100% sicher sein, dass ein Spieler funktioniert. Solange du eine gute Mischung hast, wo viele funktionieren, kannst du den ein oder anderen Transfer, der nicht aufgeht, verkraften. Bei uns funktionieren eigentlich immer alle“, zeigt sich der diplomierte Lehrer selbstbewusst. Mit 9 Millionen Euro vollzog Hannover 96 im Sommer mit Jonathas den teuersten Transfer der Vereinsgeschichte, für Bebou griff man bei kolportierten fünf Millionen Euro Ablöse ebenfalls tief in die Brieftasche. „Da ist der Puls in den ersten Spielen schon höher. Schließlich differiert die Adaptionszeit von Spieler zu Spieler. Manche brauchen länger um anzukommen. In beiden Fällen sind wir aber guter Dinge, beide Spieler performen derzeit sehr gut.“

Never change a winning team

Für die Zukunft nimmt sich Zuber nichts Geringeres vor, als „erfolgreich weiterzuarbeiten“. Alles andere wäre seiner Meinung nach nicht ratsam, schließlich sei Fußball Tagesgeschäft, wo das attraktive Angebot genauso schnell um die Ecke kommen kann, wie eine schlechte Phase, die den Job bedroht. „Horst und ich haben uns in Deutschland ein gutes Level erarbeitet, haben das Ziel sportlich erfolgreich zu sein. Alles andere kommt von selbst.“ Auf die abschließende Frage, ob es Horst Heldt, dem zuletzt der 1. FC Köln Avancen machte, und Gerhard Zuber nur im Paket gäbe, entgegnet der Kärntner kurz und entschlossen: „Das ist der Plan. Was sehr gut funktioniert, kann man ja weiterführen“. Wie sagte Sir Alf Ramsey, ehemaliger Fußballer und Trainer des englischen Nationalteams, einst so schön: Never change a winning team…