Es war der 7. November 2000, als in Gruppe D der Champions League Gruppenphase österreichische Vereinsfußball-Geschichte geschrieben wurde. Mit einem 2:2 gegen Galatasaray Istanbul stand der SK Sturm Graz als Gruppensieger fest und erreichte erstmals die damals installierte Zwischenrunde. Die glorreiche 98er-Generation der „Schwoazen“ ist auch heute noch größtenteils fest im Fußballgeschehen verwurzelt. Ob Teamchef Foda, Vastic, Schopp, Schupp, Popovic, Milanic, Haas, Prilasnig, Mählich, Feldhofer & Co. – alle sind als Trainer, Manager oder in Nachwuchs-Akademien im Einsatz. So auch Günther Neukirchner, der sich bei den „Blackys“ als Entwicklungscoach für den „schwarzen Faden“ im Verein verantwortlich zeichnet. Soll heißen: Die ideale Begleitung und Heranführung der Talente im Verein bis in den Profibereich zu gewährleisten. Das Thema „Support“ begleitet Neukirchner schon lange, denn neben seiner Rolle als Kapitän unterstützte er die VdF als langjähriger Spielervertreter schon früh. So kam es, dass in den Anfängen der Spielervertretung die Programm-Broschüren für die Bru- no-Gala notgedrungen bei ihm im Auto landeten, um doch noch rechtzeitig bei der Veranstaltung anzukommen. Seither hat sich aber – zum Glück – viel getan …
Günther, was waren deine ersten Berührungspunkte mit der VdF?
Es gab damals noch keine standesgemäße Vertretung und hatte Züge von Don Quijote, also ein Kampf gegen Windmühlen. Anfangs war dort und da bei Vereinen sicher Skepsis vorhanden, es geht ja immer auch um Widerstand. Für uns war es immens wichtig, dass man so etwas auf die Beine stellen konnte. Da waren wir als Spieler natürlich gefragt, die Verantwortlichen in ihrem Handeln dementsprechend zu unterstützen. Und man sieht heute, wie sich das Ganze entwickelt hat.
Hattest du je Zweifel oder Bedenken, die Vereinigung der Fußballer aktiv zu unterstützen und dadurch beim Verein bei Vereinsverantwortlichen in Ungnade zu fallen?
Nein, überhaupt nicht. Eine Vertretung für Fußballer war inter- national schon gang und gäbe, in Österreich hinkten wir anderen Ländern in diesem Bereich noch hinterher. Aufgrund der arbeitsrechtlichen Belange der Verträge etc. war es aber dringend nötig, dass es so eine Einrichtung auch bei uns gibt. Wenn du bei solchen Angelegenheiten keine guten Leute oder erst gar keinen Ansprechpartner hast, wo du dich informieren kannst, bist du aufgeschmissen. Es ging mir nicht darum, einzeln als Vorkämpfer zu agieren, sondern gemeinsam für gewisse Rahmenbedingungen zu arbeiten. Das ist der Sinn hinter einer Gewerkschaft. Es ist aber kein „Spieler gegen Vereine“-Verhältnis, sondern es wurden in der Vergangenheit speziell mit den Vereinsverantwortlichen gute Richtlinien erarbeitet, wovon in der Gegenwart wie in der Zukunft viele profitieren. Davor liefen einige Dinge noch auf Handschlagqualität, wo dann Fragen, Sorgen und Probleme auftauchten, wenn es plötzlich nicht mehr so gepasst hat. Umso wichtiger ist es, jemanden zu haben, der gewisse Vorhaben auf Schiene bringt und sich für dich einsetzt.
Hast du selbst während deiner Karriere aktiv auf die Dienste der VdF zurückgreifen müssen?
Natürlich hat es das eine oder andere Gespräch gegeben, speziell im Konkursfall des SK Sturm Graz war guter Rat teuer. Das Großartige war, dass du jemanden hattest, den du anrufen und fragen konntest und nicht allein mit dem Problem konfrontiert warst. Apropos „Konfrontation“ – diese gab es speziell medial im Zuge des Streiks 2001 beim Quali-Spiel des National- teams in Israel, wo du und weitere acht Teamspieler die Reise nach Israel aus Sicherheitsbedenken nicht angetreten seid … Dazu muss man wissen, dass es uns seitens des ÖFB freigestellt wurde, ob wir mitfahren wollen oder nicht. Selbst der Teamchef wollte im Erstgespräch nicht hin. Zwei Wochen später war alles anders, dann sind wir neun übriggeblieben. Nachher sind auf uns die medialen Granaten eingeschlagen, das hab’ ich ehrlich gesagt nicht verstanden. Es war auch nicht korrekt und fair vom ÖFB, uns über die Medien dann doch die Breitseite zu geben.
Würdest du es dennoch wieder so machen und nicht mitfliegen oder bereust du die damalige Entscheidung rückblickend?
Naja, meine Teamkarriere war damit beendet, soviel steht fest. Die Entscheidung habe ich aber nicht gewürfelt, sondern wohl überlegt. Ich habe für mich entschlossen, nicht mitzufahren, mit dem Hintergrundwissen, dass der ÖFB das so akzeptiert. Mir wurde mitgeteilt, dass ich die Einberufung dennoch zunächst annehmen solle und nach weiteren Gesprächen werde final entschieden. Das habe ich so gemacht und eben schlussendlich gesagt, dass ich nicht nach Israel reisen werde. Im Nachhinein denke ich mir, wenn der ÖFB interveniert und darauf pocht, dass wir uns frei entscheiden können, dann verstehe ich nicht, was im Anschluss passiert ist. Da muss mansonst sofort mit Konsequenzen drohen und transparent sein. Das Paradoxe war ja, dass das Spiel, aufgrund eines Flug- zeugabschusses eines in Tel Aviv gestarteten Flugzeugs wirklich abgesagt und um 14 Tage verschoben wurde. Im Endeffekt hat es trotzdem weh getan, weil ich mich immer korrekt verhalten habe. Wenn du im Auto sitzt und die Nachrichten hörst, wo von dir als „Deserteur“ berichtet wird und im folgenden Spiel in Klagenfurt jemand „Vaterlandsverräter“ reinschreit, ist das schon brutal.
Wie kam eigentlich die persönliche Tendenz zum Sprachrohr für andere, sei es als Kapitän des SK Sturm Graz bzw. bei der VdF als Spielervertreter?
Das ist eine normale Geschichte, junge Spieler fragen die älteren, das sehe ich als ganz selbstverständliche Unterstützung. Dahingehend war die VdF immer ideal, da konntest du Spieler weiterverweisen. Die Fußballer-Gewerkschaft war und ist für Spieler eine perfekte Anlaufstelle für die unterschiedlichsten Dinge und Fragen. Da hat sich im Vergleich zu meiner Zeit einiges getan. Leicht hast du es sportlich natürlich auch heute nicht, aber die Rahmenbedingungen sind andere, gewisse Sachverhalte sind jetzt einfach geregelt. Ich denke da nur an die Rechtsberatung der VdF sowie allgemeine Errungenschaften wie den Kollektivvertrag. Das hat schon einen Wert und heutzutage ist die Gewerkschaft nicht nur deshalb mehr als anerkannt und wird als Selbstverständlichkeit wahrgenommen. Den Namen Neukirchner verknüpft man unweigerlich mit dem legendären Sager „Des is die nächste depperte Frog“, der nach einer 0:4-Niederlage im Derby gegen den GAK in einem Premiere-Interview unmittelbar nach Abpfiff folgte.
Wie stehst du zu diesem emotionsgeladenen Ausbruch heute?
Mir ist sowas schon vorher einige Male auf der Zunge gelegen, da hat es nicht gepasst. Ich muss aber anmerken, dass ich mich bei dem Interview überhaupt nicht wiedererkannt habe, aber es war zum damaligen Zeitunkt okay und richtig. Es hat sicher viele überrascht, aber ich habe zu 99 Prozent nur positive Rück- meldungen erhalten. Das positive Feedback bekomme ich sogar heute noch. Nur ein Journalist hat mich folglich zerrissen. Es hieß, ich werde nie wieder interviewt oder ins Studio eingeladen – es ist aber dann doch anders gekommen. Wir Sportler leben schließlich von den Medien und die Medien leben von uns. Das Produkt Fußball muss man natürlich hochprofessionell verkaufen, ob das von mir professionell war, kann man hinterfragen. Aber man kann sich ebenso überlegen, welche Fragen man wann und wie stellt. Der Sender hat sicher auch einmal reflektiert, wie sie verhindern können, dass so etwas noch einmal passiert. Die Aktion ist definitiv nicht spurlos an mir vorübergegangen, aber ich habe das gesagt, was ich mir gedacht habe.
Abschließend bei einem Blick auf die eigene Karriere: Was war das Highlight deiner aktiven Laufbahn?
Da gibt’s definitiv mehrere. Jeder Titel, ob Cup- oder Meistertitel, war ein absolutes Highlight für mich. Speziell jener Titel, der durch das entscheidende Spiel am Ostersonntag gegen Austria Wien, das wir mit 5:0 gewinnen konnten, fixiert wurde. Daneben war das Eröffnugnsspiel im neuen Liebenau-Stadion 1997 gegen den GAK, den wir 4:0 besiegten, ein ganz besonderer Moment für mich. Natürlich denke ich auch sehr gerne an die Champions League-Spiele zurück. Es war schön zu sehen, wie wir uns als Mannschaft von Jahr zu Jahr verbessern konnten. Das war schon einzigartig.