TEXT: PETER K. WAGNER
Es gibt viele lebende Legenden der Fußballgeschichte und viele legendäre Erzählungen. Carlos Henrique Raposo, als Fußballer besser als Carlos Kaiser bekannt, ist eine Legende des Fußballs. Und um ihn herum ranken sich noch mehr legendäre Erzählungen. So viele, dass es seit diesem Jahr sogar eine Dokumentation über ihn gibt. Über diesen Mann, geboren 1963 in Porto Alegre. Aufgewachsen bei Adoptiveltern, mit zehn Jahren aufgenommen ins Jugendcamp von Botafogo FR. Mit 13 starben seine Adoptiveltern, mit 16 unterschrieb er einen Vertrag beim mexikanischen Verein Puebla FC. Seine Position: Stürmer. So weit, so üblich. Doch langsam liest sich seine Vita etwas anders. Weil ihm das Spielen als Jugendlicher in Mexiko schon keinen Spaß bereitet habe, soll er muskuläre Probleme vorgetäuscht haben. Eine Idee, die ihm in den folgenden Jahren noch öfter kam. Bis zu seinem 41. Lebensjahr war Kaiser eigener Aussage nach aktiv. 25 Jahre, in denen nicht nur muskuläre Probleme, sondern auch mehrfach verstorbene Großmütter willkommene Ausreden für Kassieren ohne Aktivität waren. Carlos Kaiser war der Profifußballer, der eigentlich nie einer sein wollte. Und deshalb nie spielte.
„Er wollte den Kuchen“, sagt einer seiner früheren Vereinsbosse. „Er wollte in der Mitte der Fußballer sein, er wollte für einen Fußballer gehalten werden, aber er wollte die Verantwortung eines Fußballers nicht.“ Also entschied er sich, von der Erwartungshaltung zu leben. Ja, dieser Carlos Kaiser dürfte in Trainings immer wieder einmal gezeigt haben, dass er schon ein bisschen spielen könnte, aber ein begnadeter Fußballer war er nie. Und ein Wettkampfathlet ohnehin nicht. „Ich habe nicht gespielt, weil ich nicht spielen wollte.“
Wie sehr er sich wehrte, erklärt eine Legende aus seiner Zeit Rio Bangu. Weil er in der Vornacht bis vier Uhr früh in einer Disco sein Unwesen trieb, wollte der Klubboss ihn am Platz sehen. Unbedingt, keine Ausreden mehr. Acht Minuten vor Schluss begann Kaiser sich aufzuwärmen, die gegnerischen Fans beschimpften ihn. Da hatte er eine neue Idee. Er sprang über den Zaun, prügelte sich mit den Anhängern und erhielt den erhofften Platzverweis.
Heute arbeitet Kaiser als Fitnesstrainer für Bodybuilderinnen. Und erzählt Menschen noch immer gerne aus seiner Zeit als Fußballer. Etwa von Teamkollegen, denen er Frauen besorgte. Und die ihn dafür deckten. Es sind Legenden. Auch deshalb, weil diese Geschichten eben von ihm erzählt werden. Und nicht alle von früheren Kollegen bestätigt wurden.