Karriere

MAN MUSS EXTREM AN SICH ARBEITEN

Manuel Prietl ist der Aufsteiger unter den österreichischen Fußballlegionären in diesem Sommer. Der Deutschlandsberger schaffte mit Arminia Bielefeld sensationell den Sprung in die deutsche Bundesliga. Mit uns sprach er über seinen ungewöhnlichen Karriereweg und sein nächstes großes Ziel.

F ährst du eigentlich lieber Motorboot oder Schlauchboot?

Manuel: Beides gerne. Aber ich weiß, worauf du hinauswillst. Unser Sportdirektor Arabi hat da ein Statement abgegeben, wonach wir in der deutschen Bundesliga das Schlauchboot unter Motorbooten sind. Klar ist, dass wir schon der Außenseiter sind, aber man hat in der zweiten Liga gesehen, was möglich ist. Keiner hat erwartet, dass wir so souverän aufsteigen. Ich bin überzeugt davon, dass wir auch als Schlauchboot gut mitpaddeln können in der Bundesliga.

Das Schlauchboot passt auch insofern, als dass du nicht den leichten Weg gegangen bist in deiner Karriere. Anders als die meisten heutigen Profis hast du etwa nie eine Akademie besucht. Wie kam es dazu?

Ich war ein Jahr in der Fußballakademie in Kapfenberg. Ein Jahr, das sehr lehrreich war für mich. Ich bin dort gelandet, weil es der nächste logische Schritt war, da ich Teil des LAZ Leibnitz war. Allerdings hat mich der GAK nicht genommen, die Austria auch nicht – und so ist es Kapfenberg geworden. Wie gut die Kapfenberger arbeiten, sieht man ja daran, dass es auch Albert Vallci oder Michael Gregoritsch über die Obersteirer geschafft haben. Mein großer Traum war es eben, Fußballprofi zu werden. Es wurde allerdings nur ein Akademiejahr, weil mein Bruder einen schweren Verkehrsunfall hatte. Ich war 16 Jahre alt damals und bin zurück an meine alte Wirkungsstätte, zum SV Gleinstätten in der Steiermark. Mein alter LAZ-Trainer Stefan Dörner, von dem ich viel mitgenommen habe, ist neuer Coach geworden beim Verein, daher hat das gut gepasst. Ich hab danach die Matura in Graz gemacht und im Fußball bin ich vom Landesligaspieler mit 16 Jahren über die Regionalliga mit 18 langsam aufgestiegen. Mein Vorteil war, dass ich in sehr jungem Alter schon sehr viele Spiele gemacht habe und auf hohem Niveau, wo es vor allem körperlich ordentlich abgeht. Als ich dann kurze Zeit später in der 2. Liga bei Hartberg unter Vertrag war, kam mir diese Erfahrung sehr zugute. Ich war auf die Spielweise schon sehr gut vorbereitet. Heute sage ich: Ich würde nichts anders machen und den gleichen Karriereweg wieder gehen.

Du warst früher Stürmer, wie kam es zum Wechsel ins Mittelfeld?

Es stimmt, dass ich in meiner Jugendzeit relativ offensiv gespielt habe. Meistens auf der Zehn oder als Stürmer. Ich habe auch viele Tore geschossen, wurde dann in der Kampfmannschaft aber schon mehr zum Achter und Zehner, aber noch nicht Sechser. Dazu kam es erst in der 2. Liga bei Hartberg, wo mich Kurt Gager zum alleinigen Sechser gemacht hat. Das habe ich dann auch unter Franz Lederer oder Ivica Vastic bei Mattersburg gespielt. Und bis heute fühle ich mich auf dieser Position als alleiniger defensiver Mittelfeldspieler sehr wohl.

Du sprichst die Zeit in Mattersburg an. Vier Jahre lang warst du dort aus dem Mittelfeld nicht wegzudenken und hast dir einen Namen gemacht. Was sind deine Gedanken zum SV Mattersburg?

Zunächst einmal finde ich es sehr schade, dass der Verein auf unbestimmte Zeit nicht mehr Teil der Bundesliga ist. Ich hatte eine gute Zeit dort und habe mich beim Klub sehr wohlgefühlt. Ich habe als Spieler auch viel miterlebt in den vier Jahren dort und fast 120 Spiele bestritten für den Verein. Gleich im ersten Jahr sind wir aus der Bundesliga abgestiegen. Ich war damals auch im U21-Nationalteam und es war nach dem stetigen Aufstieg von der Landesliga bis in die Bundesliga ein erster Rückschlag in meiner noch jungen Karriere. Ich hätte die Chance gehabt, in der Bundesliga zu bleiben, hatte aber einen Dreijahresvertrag unterschrieben. Es waren viele junge Spieler im Team und wir haben uns das Ziel gesetzt, dass wir den Verein wieder dort hinbringen wollen, wo er hingehört: in die Bundesliga.

Von welchen Spielern und Trainern hast du am meisten gelernt in deinen vier Jahren beim SV Mattersburg?

Von vielen Spielern. Aber vor allem Patrick Farkas ist als Vorzeigeathlet ein Profi, von dem du dir viel abschauen kannst. Franz Lederer konnte mit seiner langen Erfahrung als Bundesligatrainer jungen Spielern viel mitgeben und auch Ivica Vastic. Ein wichtiger Faktor beim Verein war aber auch Max Karner, der vielen vielleicht kein Begriff ist. Er hat sehr viel individuell mit uns Spielern gearbeitet und uns geholfen, dass wir uns weiterentwickeln können. Viele von uns haben dank ihm einen deutlichen Schritt gemacht.

2014 kehrte der SVM in die Bundesliga zurück, zwei Jahre später hast du den Sprung ins Ausland gewagt. Zu Arminia Bielefeld. Wie kam es dazu?

Tatsächlich hatte ich damals einige Optionen. Ich war ablösefrei und unter anderem haben sich Sturm Graz und RB Salzburg für mich interessiert. Ich war bei Salzburg auch schon kurz vor der Unterschrift, aber der Transfer hat sich dann doch noch im letzten Moment zerschlagen, weil der Trainer es sich anders überlegt hat. Das kam sehr überraschend, aber es hat sich gezeigt, dass eine neue Tür aufgeht, wenn sich eine andere schließt. Ich hatte dann zwei Angebote aus der zweiten deutschen Bundesliga. Mit Bielefeld hab ich mich als erstes beschäftigt und ich war rasch sehr überzeugt von diesem Schritt. Die Liga passt zu meinem Spielstil, der Verein hatte mich schon länger beobachtet und sie hatten mich schon vor der Anbahnung mit Salzburg verpflichten wollen.

Arminia Bielefeld hat einen großen Namen, war damals aber weit weg von der Bundesliga. Was hat dir dein gutes Gefühl für den Verein gegeben?

Grundsätzlich beschäftigt man sich als Österreicheicher immer mit der deutschen Bundesliga. Ich kannte den Verein also und mir war klar, dass sie erst dabei sind, sich zu konsolidieren und es gab auch noch eine gewisse Angst im Umfeld, dass der Weg wieder in Richtung dritte Liga gehen könnte. In der ersten Saison lief es auch nicht unbedingt nach Wunsch. In den ersten zehn Spielen konnten wir nur drei Unentschieden holen, am Ende der Spielzeit hatte ich mit drei unterschiedlichen Trainern gearbeitet. Doch als Jeff Saibene kam, wurde das Ruder herumgerissen. Wir konnten in der letzten Runde den Ligaverbleib besiegeln und das war die Initialzündung für das, was heuer im Aufstieg gipfelte.

Wie war für dich die Umstellung auf die zweite deutsche Liga? Es heißt immer, in der österreichischen Bundesliga seien ähnliche Fähigkeiten gefordert wie dort, da Zweikampfstärke und Kampf an der Tagesordnung stehen.

Das stimmt auf alle Fälle. Ich bin mit dem Ruf eines laufstarken Balleroberers ins Team gekommen. Das war mein Spezialgebiet in Mattersburg. Aber bei allen Parallelen der beiden Liga darf man nicht vergessen, dass in der zweiten Liga in Deutschland regelmäßig große Vereine wie zuletzt Hamburg, Hannover oder Stuttgart aus der ersten Liga als Absteiger dazukommen. Es ist schon eine andere Fußballwelt, es sind andere Stadien mit Fassungsvermögen von bis zu 60.000 Zuschauern. Auch als Fußballer muss man extrem an sich arbeiten, um mithalten zu können. In dieser Liga kann jeder kratzen und beißen. Ich hab am Anfang viel reflektiert und darauf geachtet, woran ich arbeiten muss. Läuferisch konnte ich von Anfang an problemlos mithalten, aber gerade körperlich musste ich für die Zweikampfführung zulegen.

Aufstiegstrainer Uwe Neuhaus ist schon dein vierter Übungsleiter bei der Arminia – bei allen hast du regelmäßig gespielt. Warum?

Ja, ich bin glücklicherweise in der Situation, dass ich das auch schon von meiner Zeit davor behaupten kann. Auch in Hartberg oder Mattersburg haben die Trainer allesamt auf mich gesetzt. Daraus kann man als Spieler natürlich viel ziehen, weil Spielpraxis dazu führt, dass du dich weiterentwickeln kannst. Den größten Sprung habe ich allerdings in den letzten eineinhalb Jahren gemacht. Uwe Neuhaus ist ein Fußballbesessener, der mir auch mit meinen 29 Jahren noch aufzeigt, dass ich dazulernen kann.

Wie war es möglich, dass sich Bielefeld vor Teams mit wesentlich höherem Budget wie Stuttgart oder HSV den Titel holt?

Wir haben unter Trainer Neuhaus den Spielstil komplett umgestellt, er wollte Fußball spielen. Es hat etwas gedauert, aber dann hat der Stil funktioniert. Wir waren schon im Vorjahr beste Frühjahrsmannschaft. Diese Saison ist eine Euphorie entstanden, wir sind als Verein bodenständig geblieben und haben die Außenseitenrolle gerne angenommen. Und waren erfolgreich.

Was erwartest du dir von der deutschen Bundesliga?

Ich bin ein Typ, der gewinnen will. Man muss natürlich realistisch bleiben und einordnen, dass diese Liga zu den besten der Welt gehört. Unser Ziel ist aber nicht, nur mitzupaddeln. Unser Ziel ist es, die Liga zu halten. Die Vorfreude ist extrem groß, wir können es alle kaum erwarten.

Manuel Prietl
Geburtstag 3. August 1991, Geburtsort Deutschlandsberg Stationen als Spieler: SV Gleinstätten (2007 – 2011), TSV Hartberg (2011 – 2012), SV Mattersburg (2012 – 2016), Arminia Bielefeld (seit 2016)
Erfolge: 3 Spiele fürs österreichische U21-Nationalteam, Aufstieg in die Deutsche Bundesliga (2020)

 

Interview: Peter Wagner