Und es gibt sie doch, die Formel zum Erfolg. Andreas Heralic und Stephan Schwabl begaben sich auf die Suche nach der Erfolgsformel und wurden mit einer Studie fündig. Fazit: „Erfolg ist kein Zufall“, sagt Heralic, Geschäftsführer von SPORTS.Selection.
„Die gesellschaftliche Begehrlichkeit, erfolgreich zu sein, war nie höher als jetzt“, gesteht Schwabl, Geschäftsführer von Marketagent. Was liegt also näher, als jene zu fragen, die es wissen müssen? Spitzensportler, Olympiasieger, Weltmeister. Haben sie die Formel? Es scheint so.
„Das gilt aber nicht nur für Sportler, sondern auch für Top-Manager. Die Grundaussagen dieser Leute sind identisch. Vor Jahren hatten wir schon die Idee in der Schublade“, erzählt Heralic. Umgesetzt wurde sie im Herbst 2020, mitten in der Corona-Pandemie, mit einem Zusatz. Erfolg ist auch Krisenbewältigung – wie passend in Zeiten wie diesen.
WISSENSCHAFTLICHE BASIS
Die Idee wurde auf wissenschaftliche Beine gestellt, eine Studie samt Fragebogen entwickelt, in der 31 Weltmeister*innen (auch welche, die den Titel zwar nicht tragen, ihn aber verdient hätten) und 500 Österreicher*innen zwischen 14 und 75 Jahren ausführlich befragt wurden. Was ist Erfolg? Was macht ihn aus? Welche Faktoren haben welches Gewicht dabei? Und wie unterscheiden sich dabei Spitzensportler wie Alexandra Meissnitzer, Andreas Goldberger, Benjamin Raich, Julian Knowle, Elisabeth Görgl, Michaela Dorfmeister und viele andere Menschen aus der Gesamtbevölkerung?
Talent gilt als die Fähigkeit, gewisse Dinge leicht umsetzen zu können. „Talent hat jeder von diesen Sportlern, sonst hätten sie keinen Spaß bei der Ausübung“, so Heralic. Daher gilt umgekehrt für den Durchschnittsösterreicher, dass er dort glücklich sein kann, wo er Talent hat. Interessant ist nur, dass der Faktor Talent bei der Einschätzung von Erfolg bei den Spitzensportlern weit weniger ins Gewicht (45%) fällt als für die Gesamtbevölkerung (63%).
Alles beginnt mit Vorbildern. Während der Durchschnittsbürger nur zu 33% in dieser Studie angibt, Vorbilder zu haben, kreie- ren 74% der Spitzensportler ein Ideal, das nachahmenswert ist mit all den Eigenschaften wie mentaler Stärke, Durchhaltevermögen, Selbstvertrauen, harter Arbeit und Leidenschaft für die Sache. Beachvolleyball-Ass Clemens Doppler meint etwa: „Unbedingter Siegeswille und immer wieder aufstehen, obwohl es leichter gewesen wäre, liegen zu bleiben.“ Und damit meint er nicht den Alltag am frühen Morgen.
Viele verschiedene Dinge und Eigenschaften machen Spitzensportler aus. „100% Einsatz und das eigene Leben den Zielen unterordnen“, skizziert etwa Skirennläuferin Lizz Görgl. Biathlet Christoph Sumann legt nach: „Ehrgeiz, der über das Maß anderer hinausragt.“ Dort trennt sich eben Spreu von Weizen, entscheidet sich, ob die Karriere mehr in der Hobbyschiene weiterfährt oder die Weichen in Richtung Profitum gestellt werden. Michaela Dorfmeister gibt zu: „Sie arbeiten um einen Tick mehr als der Großteil.“
DIE WICHTIGEN FAKTOREN
Bei den ersten acht Faktoren zum Erfolg sind sich die Spitzensportler einig und unterscheiden sich deutlich von den befragten „Durchschnitts-Österreichern“. 100% der Spitzensportler gaben intrinsische Motivation, harte Arbeit und Leidenschaft als Erfolgsfaktor an, während die Kontroll-Gruppe nur auf 84%, 77% und 80% kam. Beharrlichkeit, Ehrgeiz und das klare Ziel vor Augen haben bei den Profis mit je 97% einen ebenso hohen Stellenwert wie Intuition und das richtige Umfeld (je 90%).
Interessante Unterschiede offenbarten sich am Ende der Tabelle bei den Werten Talent und Glück. Talent erachten nur 45% der Spitzensportler für wichtig, Glück zu 23%, während die Gesamtbevölkerung darin mit 63% und 48% weitaus wichtigere Bausteine zum Erfolg sieht.
Tischtennis-Weltmeister Werner Schlager räumt ein, dass Glück dazu gehört. „Wer Erfolg haben will, der muss die passende Umgebung haben, hart an sich arbeiten und das Quäntchen Glück haben.“
Die ehemalige Leichtathletin Kira Grünberg definiert Erfolg wie folgt: „Erfolg ist nicht etwas, das einfach passiert. Er wird erlernt, er wird trainiert. Gewinnen heißt, dass du bereit bist, länger zu laufen, härter zu arbeiten und mehr zu geben als alle anderen.“
Wer eine Sportart auf hohem Niveau über einen längeren Zeitraum ausübt, der benötigt dazu die Leidenschaft. In dem Wort steckt schon das Leiden, ein Punkt auf der Schattenseite des Profilebens. Dennoch überwiegen für 87% der Befragten eindeutig die schönen Seiten – eine Frage der Einstellung zum Erfolg. 87% sprechen von Wagemut, 71% davon, dass Erfolg ganz einfach das Leben bereichert und glücklich macht (65%).
MENTALE STÄRKE
Spitzensportler und Siegertypen macht ihre mentale Stärke aus. Ex-Teamtormann Michael Konsel: „Erfolgreich war ich, wenn ich nicht nur körperlich, sondern auch mental perfekt eingestellt war.“ 43% der Befragten meinten, dass der Erfolg am Wettkampftag von der mentalen Verfassung abhängt.
Im Laufe einer Karriere entwickelt jeder seine eigenen Strategien über Yoga, Qi Gong, Atemübungen, Entspannungsübungen, Gespräche oder Visualisierungen. Ski-Ass Benjamin Raich: „Wenn man immer wieder einen Perspektivenwechsel macht, dann lassen sich viele Probleme lösen.“ Michaela Dorfmeister setzte auf die Visualisierung ihrer Siegesfahrt. Auch für Andreas Goldberger ein Schlüssel zum Erfolg. „Visualisierungen waren extrem wichtig. Ich spielte den Wettkampf schon vorher durch und stellte mir vor, dass ich mein Ziel schon erreicht habe.“
NIEDERLAGEN GEHÖREN DAZU
Mentale Stärke hilft auch, Niederlagen zu verdauen. Christoph Sumann rät: „Lerne schnell mit Misserfolg umzugehen, dann kannst du Erfolg auch leichter schätzen. Der überwiegende Anteil von Leistungssportlern hat in seiner Karriere mehr Niederlagen als Erfolge. Es ist ein täglicher Kampf.“
Benni Raich: „Misserfolg ist immer möglich und auch okay, er gehört dazu.“ „Wer das akzeptiert, tut sich leichter“, bestätigt Andreas Heralic nach all den Gesprächen mit den Sportlern.
Erfolg geht Hand in Hand mit Resilienz, der Anpassungsfähigkeit. Sportler unterliegen ständig diesem Prozess. Dabei geht es stets um das Körperliche, das Psychische, die richtige Ernährung, das soziale Umfeld. Punkte, an denen sich auch junge Fußballer anhalten können und sollten. Gerade beim Thema Ernährung sieht Heralic noch viele Möglichkeiten zur Verbesserung. Wobei ein Einzelsportler freilich sein Umfeld selbst zusammenstellen kann, während der Mannschaftssportler meist ein aktives Umfeld im Verein vorfindet.
In Corona-Zeiten kann das Ergebnis der Studie auch eine Anleitung sein. Denn Krisen sind Lehrmeister, wenn man dies zulässt. Nicht nur im Spitzensport. Das ehemalige Schwimm-Ass Mirna Jukic erzählt aus ihrer erfolgreichen Karriere: „Die Krisensituationen kommen früher oder später, um uns stärker zu machen, um uns zu lehren und uns wieder an uns selbst glauben zu lassen.“ Thomas Morgenstern meint gar: „In Krisen lernt man sich noch besser kennen. So unangenehm sie auch sind, sie haben etwas Gutes.“
So verwundert es nicht, dass beim Thema Resilienz im Fragebogen die Unterschiede zwischen Spitzensportlern und der „normalen“ Bevölkerung besonders groß sind. Auf die Frage nach der Widerstandsfähigkeit in Krisen befinden sich auf der Skala von 1–10 alle 100% der Sportler zwischen 7 und 10, während von der Kontrollgruppe nur 66% sich dort gut aufgehoben sehen. Sportler sind überzeugt, Krisen meistern zu können.
Die Weltmeister-Studie kann als perfekter Leitfaden herangezogen werden. Von aktuellen Top-Sportlern, von Top-Managern, von „normalen“ Menschen, aber vor allem von talentierten Sportlern, die auf dem Weg sind, aus ihrem Talent etwas zu machen. Hier gibt es Antworten, wie dies funktionieren könnte.
Text: Gernot Baumgartner