An der in Deutschland höchst emotional geführten Debatte um die Vorbildwirkung des Fußballs gibt es kaum ein Vorbeikommen. Sei es die bei der Jahreshauptversammlung eskalierte Diskussion um das umstrittene Katar-Sponsoring des FC Bayern oder die generelle Frage, wie sich Fußballstars bezüglich der Corona-Maßnahmen verhalten sollen. Die Heftigkeit der Auseinandersetzung erstaunt jedenfalls. Der Spitzensport und das Verhalten seiner Protagonist*innen spielen offensichtlich eine immer wichtiger werdende gesellschaftliche Rolle. Die Begleiterscheinungen des Rampenlichts neben gesellschaftlichem Status, Anerkennung und finanzieller Unabhängigkeit sind oftmals eingeforderte Begehrlichkeiten, Fettnäpfchen und mediale Minenfelder.
Nichts wird augenblicklich so erbittert und erbarmungslos debattiert wie die Frage der Pandemiebekämpfung. Die einen fordern Solidarität, die anderen individuelle Freiheit. Ist es denn so einfach? Nein, denn die Schwarz-Weiß- Schemata sind auch hier nicht hilfreich. Für Österreichs Bundesregierung scheint die Debatte um die Corona-Maßnahmen sowohl für Sportler*innen als auch Normalos mit der Ankündigung einer Impfpflicht beendet, wiewohl sie damit vorerst nur einem neuen Höhepunkt zusteuert.
Eines steht fest. Monatelang kündigte sich die vierte Welle in der Covid-Pandemie an. Österreich beschäftigte sich indes mit den „Chat-Protokollen“ des ehemaligen ÖBAG-Chefs Schmid und den daraus her- vorgehenden Affären der ÖVP. Neben dem beschämenden Bild, das die Bundesregie- rung abgab, manifestierte sich schließlich ihr Versagen im Pandemiemanagement, dem nur noch der vierte totale Lockdown seit Ausbruch der Krise entgegengesetzt werden konnte. Inklusive angekündigter Impfpflicht.
Während Österreich die höchsten Infektionszahlen weltweit lieferte und Forscher sowie Gesundheitsexperten sich wegen der neuen Coronavirus-Variante Omikron zunehmend Sorgen machen, gingen in Österreich zehntausende Menschen auf die Straße, um gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung zu demonstrieren. Bereits wochenlang begleiten uns Meldungen, dass Sportstars wie Djokovic, Kimmich, Thiem, Gottwald kritisch oder skeptisch zur Corona-Impfung stehen. Im Fall von Kimmich denkt sein Arbeitgeber bereits laut über Gehaltskürzungen nach. Felix Gottwald musste sich sogar rechtlich dagegen wehren, von der Corona-skeptischen FPÖ vereinnahmt zu werden.
Fest steht: Sportler*innen haben das Recht, kritische Fragen zu stellen und auch auf den Schutz einer Impfung zu verzichten. Gleichzeitig stellt sich aber auch die Frage, ob die Art und Weise, dies zum Ausdruck zu bringen, gesellschaftlich richtig und sinnvoll ist. Im Sport braucht es wohl auch gesunden Egoismus. Aber auch eine Einschätzung, was unbedachte oder vorschnelle Statements auslösen. Schnell kommt es zu einer ungewollten Vereinnahmung, aus der man sich schwer befreien kann.
Es ist aber auch ein zweischneidiges Schwert, auf dem sich prominente Sportler*innen bewegen. Einerseits zwischen öffentlicher Aufmerksamkeit und Zuwendung sowie andererseits den Erwartungen der Fans. Darf denn die Gesellschaft erwarten, dass Zuneigung, Privilegien und die finanzielle Förderung mit sportlichen Erfolgen und tadellosem Wohlverhalten zurückgezahlt werden? Auch hier scheint ein Anspruch nicht gegeben. Und trotzdem haben Vorbilder auch ihre Pflichten. Berühmte Personen wie Sportler*innen oder Künstler*innen haben eine öffentliche und eine private Persönlichkeit. Privat können sie tun und lassen, was sie wollen – so wie jede*r andere auch. Mit der öffentlichen Person verhält es sich allerdings etwas differenzierter. Sie hat Verantwortung gegenüber ihren Fans und auch der Gesellschaft. Und sie kann, wie wir wissen, gesellschaftlich viel bewirken und zum Besseren wenden. Gerade auch in Krisenzeiten.
Text: Thomas Kattnig
Media: fotobyhofer