Nach der Saison 2021/22 ist vor der Saison 2022/23, und so laufen die Kaderplanungen bei den Klubs bereits auf Hochtouren. Neben dem endgültigen Transfer von Spielern hat sich indessen die Spielerleihe als probates Mittel am Transfermarkt etabliert. Eine Leihe ist oft für alle Beteiligten das beste Mittel der Wahl. Mit 1. Juli 2022 treten für internationale Leihgeschäfte neue Regelungen in Kraft.
Spielerleihe als beliebtes Instrument
Die Spielerleihe erfreut sich großer Beliebtheit. Sie avancierte unterdessen zur echten Alternative zum endgültigen Transfer. Das verwundert nicht, wenn man sich vergegenwärtigt, dass ein Leihgeschäft häufig für alle beteiligten Parteien vorteilhaft sein kann. Auf Seiten des Spielers ist insbesondere die Spielpraxis ins Treffen zu führen. Auf Seiten der Klubs stehen neben sportlichen Überlegungen insbesondere wirtschaftliche Erwägungen.
Das Leihgeschäft treibt mitunter aber merkwürdige Blüten. Das Transferinstrument verkommt zuweilen zu einer fragwürdigen Geschäftspraktik. So halten einige internationale Klubs ganze „Leihspieler-Armeen“ (Stichwort: Atalanta Bergamo oder FC Chelsea). In diesem Fall steht wohl weniger die Förderung junger Talente als vielmehr der wirtschaftliche Profit im Fokus.
FIFA reformiert Spielerleihe
Nicht zuletzt deswegen wurde eine Reform der Regelungen über die Spielerleihe schon länger diskutiert. Sie war ursprünglich für Juli 2020 geplant, musste aber aufgrund der Pandemie verschoben werden. Am 30. März 2022 brachte der FIFA-Rat schließlich eine Änderung der entsprechenden Bestimmungen im „FIFA-Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern“ auf den Weg. Laut eigenen Angaben will der Weltverband dadurch sowohl die Entwicklung junger Spieler als auch das sportliche Gleichgewicht fördern sowie das Horten von Spielern durch Klubs verhindern. Es handle sich um einen weiteren wichtigen Baustein des Umbaus des Transferwesens im Fußball, der bereits im Jahr 2017 seinen Anfang nahm.
Reform im Überblick
Zu diesem Zweck wurde eine Reihe von Änderungen bei internationalen Leihgeschäften vorgenommen, die mit 1. Juli 2022 in Kraft treten. Hier ein Überblick über die wichtigsten Neuerungen:
• Erfordernis einer schriftlichen Vereinbarung, in welcher die Leihbedingungen, insbesondere die Laufzeit und die finanziellen Konditionen, festgelegt werden
• Festlegung einer Mindestleihdauer (Zeitraum zwischen zwei Registrierungsperioden/Transferfenstern) und einer Höchstleihdauer (ein Jahr)
• Verbot der Weiterverleihung von Leihspielern an einen Drittklub
• Begrenzung der Anzahl von Leihgeschäften pro Saison
Die Begrenzung von Leihgeschäften beläuft sich zwischen denselben Klubs auf max. drei Spieler zu jedem Zeitpunkt während einer Saison. Zudem ist die Gesamtzahl der Leihgeschäfte eines Klubs während einer Saison beschränkt. Diesbezüglich gelten Übergangsregelungen, die eine reibungslose Umsetzung gewährleisten sollen:
Ab 1. Juli 2022
während einer Spielzeit max. acht Spieler zu verleihen oder entleihen
Ab 1. Juli 2023
während einer Spielzeit max. sieben Spieler zu verleihen oder entleihen
Ab 1. Juli 2024
während einer Spielzeit max. sechs Spieler zu verleihen oder entleihen
Ausnahmen und nationale Regelungen
Die Neuregelung statuiert allerdings Ausnahmen für Spieler, die unter 21 Jahren sind, sowie für vom Klub ausgebildete Spieler. Diese sind von den Beschränkungen generell ausgenommen.
Zunächst gelten die Änderungen nur bei grenzüberschreitenden Leihgeschäften, also bei Leihgeschäften zwischen Klubs verschiedener Länder und damit verschiedener Nationalverbände. Auf nationaler Ebene wurde den FIFA-Mitgliedsverbänden hingegen eine Frist von drei Jahren gesetzt, um entsprechende Bestimmungen in das nationale Verbandsrecht zu implementieren. In Österreich wird das wohl durch eine Änderung des „Regulativs für die dem ÖFB angehörigen Vereine und Spieler“ sowie der „Spielbetriebsrichtlinien für die höchste Spielklasse der österreichischen Fußball-Bundesliga“ geschehen.
Damoklesschwert Arbeitnehmerfreizügigkeit?
Unter Juristen wird diskutiert, ob diese Verschärfungen mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit der EU vereinbar sind. Darunter versteht man das Recht von EU-Bürgern auf freien Zugang zu einer Beschäftigung in einem anderen Mitgliedsstaat. Dass mit der Neuregelung der Spielerleihe eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit einhergeht, liegt nahe. Daraus lässt sich jedoch noch nicht schließen, dass die Reform rechtlich unzulässig ist. Vielmehr stellen die Verbesserung des sportlichen Gleichgewichts und die Förderung junger Spieler in Verbindung mit den Ausnahmen legitime Eingriffszwecke dar. Ob diese Rechtfertigungsgründe die neuen Regelungen tatsächlich tragen, müsste in letzter Instanz der Europäische Gerichtshof entscheiden (die besseren Argumente sprechen wohl dafür).
In Kürze
Während das Horten von „Leihspieler- Armeen“ bei den österreichischen Klubs für gewöhnlich nicht zur Tagesordnung gehört, liefert die Reform für den einen oder anderen internationalen Klub gewiss so manchen (rechtlichen) Fallstrick. Es bleibt abzuwarten, ob damit Alternativinstrumente – Stichwort: Rückkaufsoptionen oder -pflichten – vermehrt in Erscheinung treten. Die Ziele der FIFA, insbesondere die Förderung junger Spieler und die Verbesserung des sportlichen Gleichgewichts, sind jedenfalls zu begrüßen.
Text: Patrick Petschinka