Karriere

Reine Kopfsache

Sportpsychologe Fabian Decker spricht mit dem SPIELER über den mentalen Faktor im Profisport.

Thomas Hinum: Fabian, wie wichtig ist der Kopf im Profisport?

Fabian Decker: Die mentale Verfassung hat einen großen Einfluss auf die Leistung, die am Platz gezeigt wird. Die Möglichkeiten von Mentaltraining werden derzeit immer noch von vielen Personen unterschätzt. Dies hängt einerseits damit zusammen, dass manche gar nicht wissen, wie eine sportpsychologische Betreuung ausschaut und andererseits die zeitlichen und finanziellen Ressourcen in andere Bereiche investiert werden. In Sportarten wie American Football oder Golf wird schon seit Langem und sehr erfolgreich mit sportpsychologischen Methoden gearbeitet.

Wie sehr kann die Psyche die Leistung beeinflussen?

Decker: Jeder der eine Sportart ausübt, hat wahrscheinlich schon die Erfahrung gemacht, dass es an manchen Tagen besser läuft als an anderen. Einen großen Anteil daran haben auch die mentalen Komponenten wie zum Beispiel das Selbstvertrauen, die Motivation oder das Anspannungsniveau vor einem Spiel. Viele Studien bezeugen, dass durch gezieltes Training in diesem Bereich die eigene Leistung gesteigert werden kann.

Wie kann man sportpsychologisch trainieren?

Decker: Es gibt verschiedene Techniken, um seine Leistungsfähigkeit durch sportpsychologisches Training zu steigern oder konstanter zu performen. Dies beginnt bei Zielsetzungstraining und optimaler Wettkampfvorbereitung und geht bis zu Interventionen vor, während und nach dem Spiel. Durch erlernbare Entspannungstechniken kann nach einem anstrengenden Spiel schneller eine Entlastung erreicht werden oder in Einzelgesprächen ein Umgang mit kritischen Situationen, wie zum Beispiel einem verschossenen Elfmeter, erarbeitet werden.

Gibt es ein konkretes Beispiel aus dem Fußball?

Decker: Eine beliebte mentale Trainingstechnik ist die Visualisierung. Viele Spieler wenden dies schon unbewusst vor dem Anpfiff an, indem sie einzelne Spielsituationen im Kopf durchgehen. Jedoch ist es noch effektiver, wenn es geplant und gezielt eingesetzt wird. Der Spieler versucht dabei, sich nur mithilfe seiner Vorstellung gewisse Bewegungsabläufe, wie sie auch wirklich im Spiel vorkommen, vorzustellen und vor seinem inneren Auge ablaufen zu lassen. Je realistischer und je mehr Sinne bei der Visualisierung eingesetzt werden, umso wirksamer sind die Übungen. Dies kann auch mit einem physischen Training kombiniert werden. Als gutes Beispiel eignet sich dabei das Trainieren von Standard-Situationen.

Wird die Sportpsychologie – speziell im Fußball – noch unterschätzt?

Decker: Wie schon eingangs erwähnt, gibt es gerade im Profifußball in Österreich noch einiges an Potenzial, um sich auch mental auf ein Top-Level zu bringen. In anderen europäischen Ländern wie zum Beispiel Großbritannien wird mehr Wert daraufgelegt, sich nicht nur physisch, sondern auch mental optimal auf den Wett- kampf einzustellen.

Warum verzichten viele Fußballer auf einen Mentaltrainer?

Decker: Meiner Meinung nach ist das Thema Sportpsychologie für viele Spieler immer noch schambesetzt. Auch jedem Durchschnittsbürger fällt es nicht leicht, darüber zu sprechen, wenn man irgendeine Form von psychosozialer Betreuung in Anspruch nimmt. Viele Fußballer können sich unter dem Begriff Mentaltraining auch nichts Konkretes vorstellen oder inwiefern dies unterstützen kann, um seine maximale Leistung abzurufen. Andere möchten auch nicht als „mental schwach“ abgestempelt werden, wenn sie sportpsychologische Betreuung in Anspruch nehmen. Daher ist es umso wichtiger, dass für die Sportler die Möglichkeit besteht, die Anonymität zu wahren, und die Verschwiegenheitspflicht gesichert ist.

Wie wichtig sind deiner Meinung nach das Umfeld und die Fans?

Decker: Je nachdem was für ein Charakter man ist und wie sich die Reaktionen auf entsprechende Ergebnisse gestalten, können das Umfeld und die Fans für einen Spieler unterstützend oder belastend sein. Viele Spieler berichteten davon, dass es für sie während der Covid-Pandemie – ohne Zuschauer – leichter war, ihre Leistung abzurufen als vor vollen Rängen. Andere wiederum brauchen die Atmosphäre eines ausverkauften Stadions, um auf die richtige Betriebstemperatur zu kommen.
Meiner Meinung nach ist es aber für jeden Spieler wichtig, das richtige Maß an Social-Media-Konsum zu finden. In der heutigen Zeit ist es essenziell, sich von selbsternannten Fachleuten abzugrenzen, denen es auf Facebook, Instagram und Co. sehr leicht fällt, ihre Meinung öffentlich abzugeben und Spieler zu beleidigen.

Muss der Trainertyp von heute mehr Psychologe als Taktiker sein?

Decker: Durch die Entscheidungen, die man als Trainer zu treffen hat, liegt es in der Natur des Jobs, dass man nicht jeden glücklich machen kann. Die Art und Weise, wie der Coach mit den Spielern umgeht, ist jedoch entscheidend. In dieser Position kann viel dazu beigetragen werden, wie sich die Atmosphäre innerhalb des Teams gestaltet. Je nachdem wie der Trainer es schafft, die Beziehungen innerhalb der Mannschaft zu managen, kann dies auf und abseits des Platzes seine Wirkung zeigen.

Was sind die Unterschiede bei der mentalen Komponente im Vergleich Mannschafts- und Einzelsport?

Decker: Die persönliche Belastung schätze ich sowohl bei Mannschafts- als auch Einzel-Sportarten ähnlich ein, da es am Ende ja immer Individuen betrifft. Allerdings ist die Versorgungssituation bei Einzelsportarten – sofern die finanziellen Mittel dafür aufgewendet werden können – wie z.B. bei Tennis oder Golf um einiges besser. Zumeist gibt es dabei auch ein besseres Verhältnis von der Anzahl an Betreuern pro Athlet. Dadurch kann automatisch mehr Rücksicht auf die mentale Komponente genommen werden. Mit sportpsychologischen Interventionen lässt sich aber auch eine Mannschaft bei dem Erreichen der gesetzten Ziele unterstützen.

Fabian Decker, MSc.
Klinischer- und Sportpsychologe
Tel. +43 680 14 00 966
www.fabiandecker.com

 

Interview: Thomas Hinum