Der Antrieb für den Höhenflug des WAC heißt bis zu einem gewissen Grad Michael Liendl. Dafür reicht ein Blick auf die Statistik. Die Zahlen heben den Mittelfeld-Regisseur auf den obersten Platz des Podiums, nach 14 Runden in der österreichischen Bundesliga notierte die Nummer 1 unter den Scorern bei sieben Toren und sieben Assists, ein Ausdruck spielerischen Furors. Je älter, desto besser?
Hattest du dir deine Rückkehr in die heimische Bundesliga dermaßen fulminant vorgestellt?
Michael Liendl: Ich habe mir auf alle Fälle gedacht, dass es wieder gut wird, weil es schon damals gut war, bevor ich ins Ausland ge- gangen bin. Aber dass wir nach so vielen Runden dermaßen daste- hen, ich dazu noch mit dieser persönlichen Statistik, damit hat man sicher nicht rechnen können.
Mit dir steht ja auch der WAC gut da.
Ich konnte mir mit diesem Kader sehr wohl vorstellen, dass wir die Meistergruppe erreichen, unter die Top 6 kommen. Dass wir zwischenzeitlich so deutlich vor großen Klubs wie Rapid oder Sturm liegen, das war weniger vorstellbar.
Warum wurde es der WAC und nicht einer der größeren Klubs?
Wolfsberg hat sich um mich bemüht. Gespräche hat es in Österreich einige gegeben, aber kein offizielles Angebot. Konkret wurde nur der WAC. Wir haben uns als Familie ursprünglich die Frage gestellt, ob wir im Ausland bleiben oder nicht.
Und was sprach dann für Österreich?
Weil ich gerne wieder in der Bundesliga spielen wollte. Ich bin jetzt 33 Jahre alt. Wäre ich im Ausland geblieben und erst mit 35 Jahren heimgekehrt, wäre es schwieriger geworden, gute Leistungen zu bringen. Aber auch der familiäre Hintergrund hat eine entscheidende Rolle gespielt mit Kindergarten und Schule für die Kinder. Es war einfach der richtige Moment für eine Heimkehr.
Was hast du im Ausland alles erlebt, was dir niemand mehr nehmen kann? Was wurdest du einem jungen Kicker antworten, wenn er dich nach deinen Erfahrungen fragt?
Das Ausland bedeutet Druck. Allein medial befindet man sich in ei- ner anderen Welt, wenn man beispielsweise in Deutschland spielt. Da muss man als Persönlichkeit schon gefestigt und halbwegs stabil sein. Sportlich ist es natürlich eine riesengroße Herausforderung, alles ist noch intensiver. Im Training, im Spiel. Wobei ich schon festhalten möchte, dass Österreich einen großen Schritt nach vorne gemacht hat in den letzten Jahren. Aber es ist halt ein großer Unterschied, ob du vor 2.000 oder 20.000 Zuschauern spielst.
Welchen Moment wirst du nie vergessen?
Es gibt einiges aus der Zeit, das ich nicht vergessen werde. Aber als ich erstmals in Düsseldorf rausgelaufen bin und plötzlich waren da 30.000 Fans im Stadion, so etwas prägt sich schon ein.
Aber auch bei deiner nächsten Station hast du für einen Kultklub gespielt – 1860 München. Allerdings war das eine bitter-süße Erfahrung, oder?
Ja, weil ich mich mit dem Klub richtig identifiziert habe, dann auch Kapitän der Mannschaft war. Daher tut es mir so weh, dass wir abge- stiegen sind. Das war wohl der schlimmste Moment, zumal der Klub wirklich cool ist. Aber man hat in diesem Fall gesehen, was man im Umfeld alles falsch machen kann. Natürlich war es letztlich sportlich zu wenig, was wir gebracht haben. Aber auch in der Führungsetage sind so viele Fehler gemacht worden, das hat nicht für ein ruhiges Umfeld gesorgt.
Wie lebt es sich in einer Stadt, in der Bayern München alles dominiert?
Dieses Gefühl hatte ich gar nicht, viel eher, dass sich alles um uns dreht. 1860 war in den Medien ständig präsent, vor allem in der Bild-Zeitung München, positiv wie negativ, weil der Klub sehr polarisiert. In Wahrheit ist München ja blau, also 1860, und nicht rot wie Bayern.
Zurück zum WAC und Österreich. Hattest du das Bedürfnis, irgendjemandem noch etwas zu beweisen?
Ja, mir selbst mit meinen 33 Jahren. Viele Kritiker hatten mir früher schon prophezeit, dass ich zu langsam und zu schwach im Zweikampf wäre für das Ausland. Denen habe ich letztlich auch das Gegenteil bewiesen. Jetzt kommt der Antrieb nur noch aus mir selbst. Wenn du als Fußballer in ein gewisses Alter kommst, dann musst du schauen, dass du fit bist. Ich schaue auf meinen Körper, mich zwickt‘s noch nirgends, auch wenn ich nach einem Spiel oder einem härteren Training vielleicht mehr Regeneration brauche als früher. Das ist normal.
Was kann der WAC mit dir als Führungsspieler den Experten beweisen?
Dass die Top 6 absolut realistisch sind, wenngleich wir noch nicht durch sind. Die Qualität ist vorhanden. Und wenn wir uns für die Meistergruppe qualifizieren, dann wollen wir nicht Sechster werden. Wir spielen dann nicht um die goldene Ananas, sondern orientieren uns schon weiter nach oben.
Michael Liendl noch einmal im Europacup?
Wenn das möglich ist, nehme ich es gerne mit. Wenn wir schon so dastehen, dann sollten wir das auch ins Visier nehmen können. Im Kader, im Trainerteam und im Klub sehe ich das Potential, dass wir um diese Plätze mitreden können.
Wie lange wirst du noch spielen? So lange deine Beine dich tragen?
Erstens, und zweitens, solange ich Spaß an meiner Arbeit habe. Derzeit ist das täglich der Fall, vor allem, weil ich gesund bin. Ist man nicht fit, dann kann man auch nicht so spielen, wie man sich das vorstellt oder wie man es könnte. Das frustriert letztlich, nimmt dir den Spaß am Spiel. Doch der Gedanke ist noch weit weg. Ich hatte in meiner Karriere keine schweren Verletzungen, hinten raus macht sich das vielleicht bezahlt.
Vergleiche bitte die heimische Bundesliga heute mit jener aus der Zeit, bevor du ins Ausland gegangen bist.
Der Unterschied ist einmal strukturell die Ligareform, die das Geschehen meiner Meinung nach attraktiver, weil spannender macht. Nimmt man Salzburg aus, wirkt alles sehr ausgeglichen. Es macht keine Mannschaft den großen Unterschied aus, das war früher schon etwas anders. Die kleineren Vereine haben aufgeholt. Es sind nicht immer die großen Klubs schuld, nicht immer schwächeln nur sie, sondern die Kleinen sind auch stärker geworden. Es sind jetzt mehr Gegner da.
Hast du schon Gedanken über eine Karriere nach der Karriere gemacht?
Gedanken schon, aber ich bin noch nicht auf einen Nenner gekommen. Grundsätzlich möchte ich im Fußball bleiben in irgendeiner Form, weil ich das am besten beherrsche. Gedanklich habe ich viele Ansätze und überlege auch, was bringt mir eventuell was. Ich mache mir aber keinen Stress herauszufinden, was dann das Richtige für mich sein soll. Es werden sich sicher Türen öffnen.