Vereinigung der Fußballer

Wie geht’s weiter mit dem Sport?

Nach dem totalen Stillstand, der Verschiebung zahlreicher Großereignisse wie der Olympischen Spiele oder der Euro 2020 und dem Restart mit Geisterspielen und Geisterrennen stellt sich nunmehr die Frage, wie es mit dem Sport insbesondere dem Fußball weitergeht. Sowohl Spitzensport als auch Breitensport stehen vor Veränderungen.

Die Corona-Pandemie stellte das öffentliche Leben und damit die nationale und internationale Sportwelt praktisch über Nacht auf null. Nach langem Zögern und auf Druck einzelner Verbände und couragierter AthletInnen wurden sogar die Olympischen Spiele ins nächste Jahr verschoben. Die wirtschaftlichen und organisatorischen Auswirkungen sind vollumfänglich noch gar nicht abzuschätzen, werden allerdings mit Sicherheit noch Jahre hinweg nachwirken. Auch den Breiten- und Amateursport samt seinen vielen tausenden Sportvereinen trifft die Pandemie extrem und vollkommen unvorbereitet.

GEISTERSPIELE ZUR SICHERUNG DER FINANZIELLEN BASIS
In der Bundesliga bestand nach der ersten Schrecksekunde des Lockdown immerhin die Möglichkeit, den Bewerb mit Geisterspielen sportlich zu Ende zu bringen. Damit konnten die so wichtigen Fernseh- und Sponsorengelder fließen, um wenigstens einen Teil der finanziellen Basis der Vereine zu sichern. Aber Fußball ist doch mehr. Da fehlt doch was.

FUSSBALL LEBT VON MENSCHLICHEN RESONANZEN
Über Wochen hinweg mussten wir Fußballspiele ohne Fangesänge, Pfeifkonzerte und hochgehende Emotionen nach Schiedsrichterentscheidungen miterleben. Verliert der Fußball dadurch an Bedeutung? Fußball funktioniert doch aus Teilhabe, einer Wechselwirkung zwischen Spieler, Schiedsrichter und Fan. Er gewinnt an Bedeutung durch Befassung, Beimessung und Theatralik. Je öfter und intensiver über Fußball geredet wird, umso bedeutungsvoller wird er. Und die Alltagssorgen treten in den Hintergrund. Aber funktioniert das auch ohne Publikum? Im Moment wird die Kunst des Balltretens in seiner reinsten Form dargeboten – aber so richtig reicht das nicht.

Auch wenn die Geisterspiele gewöhnungsbedürftig anmuten und kein wirklicher Ersatz für wahre Fußballfeste sind, so gibt es doch auch interessante Erkenntnisse.

HEIMVORTEIL DAHIN
So hat eine Forschergruppe der englischen University of Reading eine Studie veröffentlicht, in der 192 Geisterspiele in Europa seit 2002 untersucht wurden. Die Forscher ermittelten, dass nur 36 Prozent der Heimspiele gewonnen wurden, mit Zuschauern seien es historisch betrachtet 46 Prozent. In 34 Prozent der Fälle gab es Auswärtssiege, normal seien 26 Prozent. „Heimmannschaften erzielen weniger Tore und gewinnen weniger Spiele. Auswärtsmannschaften erhalten von den Schiedsrichtern im Schnitt fast eine halbe Gelbe Karte weniger“, heißt es in der Studie. FEHLENDE

GERÄUSCHKULISSE VERBESSERT KOMMUNIKATION AM RASEN
Einen deutlichen Unterschied macht das Fehlen der Fans bei der Akustik auf dem Platz. Zumindest wenn es nach Mats Hummels geht: „Man bekommt viel mehr Kommandos, man kann viel mehr Kommandos geben. Wenn bei uns bei Heimspielen über 80.000 laut sind, dann komme ich keine zehn Meter weit mit meinem Ruf.“ Er könne dann niemals den offensiven Mittelfeldspieler oder gar den Stürmer mit seinen Anweisungen erreichen.

ZUSCHAUER WIEDER MÖGLICH
Mit August soll nun tatsächlich wieder Publikum zugelassen werden. Für den Profifußball bedeutet das ein wenig zurück zu dem Fußball, den wir kennen. Aber auch der Amateurfußball braucht dringend Besucher, um damit die finanzielle Grundlage für den Spielbetrieb erwirtschaften zu können.

Wie viele tatsächlich kommen werden, bleibt jedoch auch aufgrund der aktuellen Entwicklungen bei den Infektionszahlen abzuwarten. Sofern die Rahmenbedingungen seitens der Vereine erfüllt werden, das heißt es zugewiesene und gekennzeichnete Sitzplätze gibt, könnten ab August bis zu 750 Personen und bei behördlicher Bewilligung sogar bis 1.250 ZuschauerInnen dabei sein. Im September vielleicht sogar mehr.

Für Sportplätze, die nicht über diese nötige Infrastruktur verfügen, gilt hingegen eine Obergrenze von 200 Personen. Kann das reichen, um die finanzielle Basis der Klubs zu sichern? Im Amateurbereich sollte das in der Regel ausreichen. Bei Derbys, die oftmals den Löwenanteil zur Sicherung des Spielbetriebes beitragen, könnte die Sache schon schwieriger werden. Insgesamt haben sich die Klubs darauf einzustellen, dass in der kommenden Saison die Publikumseinnahmen sehr konservativ zu veranschlagen sein werden. Was die Frage aufwirft, wie sich der Spielbetrieb finanzieren lässt.

AMATEURSPORT GEWINNT AN BEDEUTUNG
Wie wichtig gerade auch der Amateursport ist, zeigt die ASKÖ-Bewegungsstudie zur Corona-Krise. Die Krise hat die Einstellungen zu Bewegung und Sport verändert, ebenso das Bewegungsverhalten. Die Bevölkerung erkennt mehr den ausgleichenden Wert von Bewegung und Sport, um ins Gleichgewicht zu kommen. Mehr als 50% der Befragten sind der Auffassung, dass durch die Corona-Krise die Bedeutung der Sportvereine für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft größer wird. Dies bestätigen die 15.000 Sportvereine mit ihren 2,1 Millionen Mitgliedern eindrucksvoll.

FINANZIELLE BASIS SICHERN
Jetzt geht es aber darum, diesen Vereinen auch die dringend notwendige finanzielle Unterstützung in dieser Ausnahmesituation zukommen zu lassen. Sport Austria-Präsident Hans Niessl setzt sich in Verhandlungen mit der Bundesregierung dafür ein und hofft, dass diese so wichtige Unterstützung rasch bei den Vereinen ankommt und von ihnen möglichst einfach – ohne Steuerberater oder Rechtsanwälte zu benötigen – beantragt werden kann. Das wäre nicht nur zu hoffen. Es ist auch dringend notwendig, um die Sportvereine am Leben zu erhalten.

Text: Thomas Kattnig