Gehirnerschütterung muss ernst genommen werden. Die VdF fordert ein Umdenken, um die Gesundheit der Spieler besser zu schützen.
In kaum einer anderen Sportart kommt es so häufig zu Zusammenstößen ungeschützter Köpfe wie im Fußball. Regelmäßig sehen wir auf Europas Fußballfeldern die gleichen Bilder. Spieler bleiben nach Kopfballduellen benommen liegen und setzen nach kurzer Behandlung oder Begutachtung das Spiel oft auf eigenen Wunsch und/oder dem des Trainers fort.
„Genau das ist der falsche Weg“, fordert der stellvertretende Vorsitzende der VdF und Ex- Profi Oliver Prudlo ein striktes Umdenken. „Ob der Spieler nach einem Zusammenprall weiterspielt oder nicht, darf nicht der Spieler entscheiden. Während des Spiels bist du voll Adrenalin. Du willst immer weitermachen und allen zeigen, was du für ein harter Hund bist. Ich war in meiner aktiven Zeit genauso. Aber das ist Blödsinn. Es gibt auch ein Leben nach dem Fußball und das sollte man möglichst gesund verbringen können. Die Entscheidung darf auch nicht der Trainer, sondern einzig und allein der Mannschaftsarzt treffen!“
ZUSÄTZLICHER ERSATZSPIELER
Medizinisches Personal braucht Zeit und Ruhe, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Beides ist angesichts
der Hektik, die während des Spiels in der Coachingzone herrscht, im Normalfall nicht gegeben. Die VdF schlägt daher vor, dem medizinischen Personal nach einer Kopfverletzung zehn Minuten Zeit einzuräumen, da es schwierig sein kann, eine Gehirnverletzung sofort festzustellen. Um dies zu ermöglichen, könnte jede Mannschaft einen zusätzlichen Ersatzspieler haben, der auf die Bank zurückkehren würde, wenn bei dem untersuchten Spieler keine Gehirnerschütterung diagnostiziert wird.
Eine solche konkrete Maßnahme zur Verbes- serung der Situation wird in anderen Sportarten, wie Rugby oder American Football, bereits umgesetzt. Die nordamerikanische MLS beteiligt sich am Pilot-Projekt der FIFA mit zusätzlichen Concussion-Ersatzspielern, um zu zeigen, dass der Schutz der Spieler an erster Stelle steht.
Dr. Bryan English, einer der führenden Sportmediziner Großbritanniens war Teamarzt des FC Chelsea, als Petr Czech 2006 einen Schädelbruch erlitt. Er unterstützt diesen Ansatz: „Normalerweise weiß ich innerhalb von 30 Sekunden, ob mein Spieler beeinträchtigt ist und ich vermute eine Gehirnerschütterung“, sagt English. „Wenn er sagt, dass ihm schwindelig ist oder er taumelt, wenn er mir nicht ins Gesicht sehen oder nicht richtig sprechen kann, muss ich keine weitere Beurteilung vornehmen. Für mich habe ich zu diesem Zeitpunkt eine Gehirnerschütterung diagnostiziert. Er kann nicht weitermachen. Dann brauche oder möchte ich keine zehn Minuten, um weiter zu bewerten.
Wenn ich mich aber nicht innerhalb dieser 30 Sekunden entscheiden kann, bin ich besorgt. Die Spieler erholen sich schnell und werden dann sagen, dass es ihnen gut geht und sie weiter spielen möchten. Ihre Trainer werden dasselbe sagen. Aber wenn ich eine massive Auswirkung sehen würde, von der ich dachte, dass sie bedenklich sein kann, hätte ich zumindest die Möglichkeit, den Spieler in einer ruhigen Umgebung zu sehen, um zu überprüfen, ob er normal ist oder sich verschlechtert. Es wäre großartig, unter bestimmten Umständen die Flexibilität der Zehn-Minuten-Regel zu haben.“
ALLE SPIELER MIT VERDACHT AUF GEHIRNERSCHÜTTERUNG MÜSSEN VOM PLATZ GENOMMEN WERDEN
FiFPro, die internationale Organisation der Spielergewerkschaften und die VdF setzen sich seit Jahren dafür ein, die Spieler besser zu schützen. Alle Spieler mit Verdacht auf Gehirnerschütterung müssen vom Platz genommen werden. Denn die möglichen Langzeitfolgen können dramatisch sein und reichen von chronischer Erschöpfung über Depressionen bis hin zur Demenz als Folgen einer weiteren Belastung trotz Gehirnerschütterung.
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Oliver Prudlo
+43 699 / 18 15 90 04
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Text: Oliver Prudlo