Vereinigung der Fußballer

Quo Vadis, Fußball – Sport?

Für gut 48 Stunden sah es danach aus, als würden sich die Schwergewichte des Fußballs zu einer europäischen Super League zusammenschließen. Der Aufschrei von Fans, Politik, Spielern und der UEFA war groß, die Idee schnell Geschichte. Trotzdem bleibt die Frage offen: Wie stabil ist der professionelle Fußballsport und wohin wird er sich entwickeln? Eine Betrachtung aus sportrechtlicher Perspektive.

KÖNIG FUSSBALL KANN AUCH MASSLOS SEIN
Die Ankündigung einer europäischen Superliga war rückblickend nur ein Sturm im Wasserglas. Trotzdem hat sie dazu beigetragen, die vorhandenen Schwächen aufzudecken. Doch nicht erst seit kurzem beschäftigen sich Klubverantwortliche mit dem Gedankenspiel der sportrechtlichen Umsetzung eines Wettbewerbs abseits der klassischen Verbandspyramide. Immer wieder – zumeist im Vorfeld von Reformen – hörte man von Plänen der europäischen Top-Mannschaften, einen eigenen Wettbewerb ganz ohne der Mitwirkung der UEFA durchzuführen.

Die Pandemie hat dem Wirtschaftssystem-Profifußball seine Maßlosigkeit aufgezeigt. Zahlreiche Vereine beklagten Einnahmenausfälle aus Ticketeinnahmen und Fernsehgeldern, andere konnten den Fall auf den harten Boden der Tatsachen durch lukrative Investorenmodelle abfedern. Nunmehr tauchen vereinzelt Finanzierungsmodelle auf, die gegen nationale bzw. internationale Regelungen verstoßen.

Getrost lässt sich sagen, dass sich der Profifußball eine Blase geschaffen hat. Eine Blase, die früher oder später zu platzen droht. Angesichts dieses Status quo macht es durchaus Sinn, bestehende Regelungsinstrumente juristisch zu hinterfragen und Wege aufzuzeigen, in die sich der Fußball in den kommenden Jahren entwickeln könnte. „TPO“, „TPI“, „50+1“, „FFP“, „Salary- Cap“ – es gibt bereits viele regulatorische Eingriffe, doch wie effektiv sind die bestehenden Regelungen tatsächlich?

MIT 50+1 IN DIE ZUKUNFT?
Europäische Fußballvereine sind bei Investoren beliebt. Erst Anfang 2020 verkaufte die City Football Group (CFG), der Besitzer des aktuellen englischen Premier League Meisters Manchester City, einen Anteil von über 10 Prozent an die US-Private-Equity- Firma Silver Lake für rund 500 Mio. USD. Auch in Italien wurde fleißig investiert. So zahlte der in Italien geborene amerikanische Magnat Rocco Commisso 165 Mio. Euro für Anteile an der Fiorentina. Ein Verein, der in der abgelaufenen Serie A Saison am 14. Tabellenpatz gelandet ist. Da stellt sich die Frage, ob so etwas auch in Österreich möglich ist.

Es gibt verschiedene Arten von Investoren: von bekannten lokalen Geschäftsleuten über ausländische Milliardäre und Private-Equity-Firmen bis hin zu Fangruppen. Die Investoren von Fußballvereinen sind in ihrer Typenvielfalt und den Motiven, die sie antreiben, beispiellos.

Bis auf wenige Ausnahmen sind es in Österreich (noch) die lokalen Geschäftsleute, die oft aus sozialer Verantwortlichkeit ortsansässige Fußballvereine mit erheblichen Summen unterstützen. Dabei werden die Fußballvereine als wichtiger Teil ihres lokalen Ökosystems gesehen, die als Herzstück kleinerer Gemeinden gelten und für Beschäftigung sorgen. Daher sehen lokale (wohlhabende) Einzelpersonen einen Verein häufig als Plattform, um eine breitere Rolle zu übernehmen und der Gemeinschaft etwas zurückzugeben.

Ein Hauptgrund dafür, warum die österreichische Bundesliga nach wie vor keine wirkliche Option für ausländische Investoren darstellt, ist die 50+1-Regel. Diese sichert den Mitgliedern des Vereins die Gesamtkontrolle an der ausgegliederten Kapitalgesellschaft, indem sie zumindest die Mehrheit der Stimmrechte („50+1“) innehaben. Soll die Ausgliederung des Profibetriebs in eine Kapitalgesellschaft zunächst ein kontrolliertes Wirtschaften und den Erhalt des gemeinnützigen Zwecks der Vereine gewährleisten, so wohnt der 50+1-Regel die Ratio inne, den selbstbestimmten Verein vor der Willkür durch finanzkräftige Investoren zu schützen. Dies wiederum widerstrebt freilich dem Interesse vieler Investoren, die für ihre erheblichen finanziellen Mittel dementsprechende Entscheidungsgewalt fordern.

Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Beschaffung finanzieller Mittel einen bedeutenden Anteil an der sportlichen Wettbewerbsfähigkeit eines Vereins, vor allem im internationalen Vergleich, einnimmt. Während Österreich und Deutschland nach wie vor an der 50+1-Regel festhalten, bläht sich die wirtschaftliche Blase in den restlichen Ligen Europas weiter auf. Gerade im internationalen Vergleich kann dies einen entscheidenden Wettbewerbsnachteil bedeuten.

Umso schwieriger ist es, für die heimischen Vereine alternative Investorenmodelle zu finden, die sowohl den nationalen Vorgaben als auch den Regelungen der FIFA entsprechen. Zuletzt sorgte der LASK mit seiner Beteiligungsstruktur für Aufregung. Dieser hat die Mitbestimmungsrechte in der ausgegliederten LASK GmbH aus- schließlich an die Eigenschaft als „förderndes Mitglied“ geknüpft. Zwar wird in den Lizenzbestimmungen nicht geregelt, wie viele Mitglieder ein jeder Verein haben muss, verbirgt sich im Fall des LASK jedoch das Problem, dass förderndes Mitglied nur wird, wer mit einer Stammeinlage an der LASK Marketing GmbH beteiligt ist. Insofern bestimmen die lukrativen Geldgeber mittelbar, was im Verein geschieht. Das Modell des LASK kann durchaus als Umgehungskonstrukt der 50+1-Regel bezeichnet werden.

Der Wiener Austria ist es gelungen, mit der ursprünglich aus Georgien stammenden Insignia Global Solutions Ltd. einen internationalen Investor von einem Einstieg zu überzeugen. Die Gruppe versucht, internationale Sponsoren aufzutreiben und dadurch einen bestimmten Betrag für den Verein zu lukrieren. Sollte dies nicht gelingen, garantiert Insignia vertraglich die selbstständige Zahlung des vereinbarten Betrags. Interessant ist dabei, dass die Insignia formal 70 % an der FK Austria Wien Marketing GmbH hält, die Stimmrechte jedoch im Einklang mit der 50+1-Regel mehrheitlich beim Verein verbleiben.

Trotzdem stellen sich viele die Frage, ob die 50+1-Regel aufgeweicht werden soll, um damit den heimischen Fußball für externe Investoren attraktiver zu machen. Dafür wäre jedenfalls eine Änderung der Lizenzbestimmungen notwendig, die einer Zweidrittelmehrheit aller Bundesligisten bedarf.

DIE DEBATTE UM DIE TRANSFERRECHTE
In Artikel 2 ihrer Statuten verpflichtet sich die FIFA unter anderem zur „Gewährleistung eines integeren Wettbewerbs“. War dieses Ziel in der Vergangenheit oft nicht mehr als eine Nebelkerze, so hat der Weltverband mit den Bestimmungen in Art 18bis und 18ter der Regulations on Status and Transfer of Players (RSTP) durchaus ein rechtliches Ausrufezeichen gesetzt.

Art 18ter bezieht sich auf die kryptische Abkürzung „TPO“ (third party ownership). In einem 2020 vorgelegten Handbuch hat die FIFA die Auslegung dieser Bestimmung klargestellt. Kurzum: Transferrechte an einem Spieler gehören immer dem Verein, nie einem Dritten. Der Spieler selbst gilt jedoch nicht als Drittpartei und darf an einem Transfer mitverdienen. Konkret bezieht sich das TPO auf Fälle, in denen ein externer Investor einem Verein bei der Bestreitung der Ablösesumme eines Spielers finanzielle Mittel bereitstellt und hierfür im Falle des Weiterverkaufs mit einem bestimmten Prozentsatz an der erlangten Ablösesumme beteiligt wird.

Die weniger bekannte Regelung in Art 18bis verbietet breiter gesagt die Einflussnahme Dritter auf Arbeitsverträge und Transferangelegenheiten. Sie wird „TPI“ (third party influence) genannt. Die Regelung, die erstmalig 2008 als Reaktion auf eine fragwürdige Klausel bei den Transfers von Carlos Tevez und Javier Mascherano zum Premier League Club West Ham United eingeführt wurde, wurde seitdem wegen ihrer Abstraktheit kritisiert. Daher trat mit dem Jahr 2015 eben der Art 18ter bezüglich des Verbots von TPO hinzu, um das Regelwerk zu konkretisieren.

Die FIFA sieht durch die „third party ownership“ die Integrität des sportlichen Wettbewerbs gefährdet. Ein Investor könnte insofern auf den Verkauf eines Spielers vor Ablauf der vertraglichen Befristung drängen, um sein „Investment“ gewinnbringend zu verwerten. Insofern bestätigt die FIFA in ihrem Handbuch das auch der 50+1-Regel innewohnende Prinzip, dass die Kontrolle über den Verein ausschließlich ebendiesem zukommen soll. Weiters kritisiert die FIFA in ihren Erläuterungen die Intransparenz von Beteiligungsverhältnissen an gewissen Spielern. Betrachtet man das Transferwesen im Fußball von einem moralischen Standpunkt aus, wird oft lautmalerisch von einer Art „Menschenhandel“ gesprochen. TPOs, so die Ansicht der FIFA, würden dies beflügeln.

Da die Regelung der FIFA jedoch noch immer einige Graubereiche zulässt, werden und wurden immer öfter Umgehungsmodelle gefunden, wie sie sich auch im heimischen Fußball bezüglich der 50+1-Regelung wiederfinden. Neben der Übernahme von Klubs war hier von Erfolgsbeteiligungen, Bonuszahlungen, Darlehenslösungen, Beteiligungen an einem Spielerpool oder auch am gesamten Kader sowie Trust-Modellen die Rede.

Erst kürzlich rückte der LASK wieder ins Rampenlicht. Gegen den ehemaligen LASK-Vize-Präsidenten Jürgen Werner steht der Verdacht im Raum, sich über ein spezielles Konstrukt mit dessen Beratungs- und Beteiligungsgesellschaften an Transferrechten von LASK-Spielern beteiligt zu haben. So würden Spielerpakete geschnürt und an Investoren verkauft, die in weiterer Folge vom Transfererlös des Weiterverkaufes profitieren. Hier wird vor allem von Bedeutung sein, wie spezifisch einzelne Spieler – namentlich – in den Verträgen angeführt sind und auch wie bzw. ob die Investoren entschädigt werden, wenn der Verein ein Angebot für einen dieser Spieler ablehnt.

Das eigentliche Problem bei den heute gängigen Darlehensmodellen und Beteiligungen an einem Spielerpool oder Kader ist, dass die finanziellen Risiken häufig fast ausschließlich beim Klub liegen. Geht alles gut, profitiert auch der Klub langfristig. Verläuft das Geschäft jedoch nicht wie geplant, erhält der Investor zumindest sein eingesetztes Kapital verzinst zurück, sodass der Verlust in weiterer Folge am Klub hängenbleibt.

ADE, FINANCIAL FAIR PLAY?
In die gleiche Kerbe schlägt auch das oft reformierte Financial Fair Play (FFP), welches auf der sogenannten Break-Even-Regel basiert. Dies bedeutet, dass die Clubs im Durchrechnungszeitraum von drei Spielzeiten nicht mehr ausgeben dürfen, als sie einnehmen. Die UEFA möchte durch das FFP unter anderem die finanzielle Leistungsfähigkeit der Clubs sichern und deren Transparenz sowie Glaubwürdigkeit erhöhen.

Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass die gute Intention hinter der Regel und die Androhung von Verstößen gegen das FFP bloß leere Worthülsen waren. Dieses Problem zeigte sich massiv im Verfahren von Manchester City vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne.

Ob die als Alternative zur FFP Regelung angedachte Gehaltsobergrenze (Salary Cap) nach US-amerikanischem Vorbild als Lösung aller Probleme dient, ist mehr als fraglich. Die Möglichkeiten, wie eine solche Gehaltsobergrenze ausschauen könnte, sind vielfältig. Am Ende müssen diese insbesondere mit dem Wettbewerbsrecht der Union vereinbar sein, um als plausibles Instrument für die Regulierung des überschwappenden Fußballmarktes zu dienen. Ein in Fachkreisen als schier unmögliches Unterfangen bezeichnetes Unternehmen.

EIN AUSBLICK
König Fußball befindet sich mehr denn je in einem Interessenkonflikt. Das Hauptproblem – zumindest im europäischen Fußball – liegt im Auseinanderdriften der Schere von reichen und weniger begüterten Klubs. Durch die Einführung von Teilnahmegarantien für bestimmte Klubs der großen europäischen Ligen und die immer einseitigere Verteilung der stetig steigenden Einnahmen werden die bestehenden Strukturen zementiert.

Die kleineren Klubs versuchen alles, um im Konzert der Großen mitzuspielen. Dies ruft die Klubs auf den Plan, mittels mehr oder wenige kreative Lösungen finanzielle Beteiligungsstrukturen zu schaffen. Der Grat zwischen zulässigen, kreativen Finanzierungsmodellen und unzulässigen Umgehungsgeschäften ist schmal. Aussagen dazu können häufig nur im konkreten Fall gemacht werden. Dadurch leidet vor allem die durch die eingeführten Regularien (TPO, TPI, 50+1, FFP etc.) eigentlich angestrebte Transparenz.

Die Einführung neuer Bewerbe à la Super League ändert jedenfalls nichts an der Vielzahl der Schrauben, an denen gedreht werden muss, um den Reformbedarf einzuleiten, damit der Fußball in Zukunft nicht zur schönsten Nebensache der Welt von einigen wenigen Investoren verkommt.

Text: Sebastian Reifeltshammer