Karriere

Zweites Standbein

Abgesehen von den dramatischen gesundheitlichen Auswirkungen von COVID-19 begleiten große wirtschaftliche Schwierigkeiten sowie hohe Arbeitslosigkeit unser Leben seit mittlerweile mehr als einem Jahr. Das betrifft genau so den Fußball in Österreich. Dies zeigt einmal mehr auf, wie wichtig es ist, zumindest finanziell so gut wie möglich für solche Krisenzeiten vorzusorgen. Zusätzlich zeigt es aber auch, wie wichtig es ist, sich eine mögliche Alternative zur sportlich aktiven Karriere zu erarbeiten.

Die VdF hat durch das Sportler-Projekt eine perfekte Möglichkeit geschaffen, genau das zu tun. Valentin Grubeck und Arne Ammerer, selbst aktive Fußball-Profis beim SKU Amstetten, sind die ersten Spieler, die das Projekt aktiv vorantreiben. Arne Ammerer ist außerdem der erste Fußball-Profi, der die duale Ausbildung im Zuge des Sportler-Projekts erfolgreich abgeschlossen hat. Im kommenden Interview teilt er seine bisherigen Erfahrungen und gibt erste Einblicke in das Projekt. Zusätzlich erläutert Wolfgang Seidl, seines Zeichens Mentalcoach mit jahrelanger Erfahrung in den Bereichen Wirtschaft und Sport, speziell auch im Fußball, wie sich eine Beschäftigung abseits des Platzes auf die Performance auf dem Platz auswirken kann.

Fasse deinen bisherigen Werdegang kurz zusammen.
Wolfgang Seidl: 2010 wechselte ich von meinem Heimatverein FC Bad Gastein in die Fußball-Akademie der SV Ried, wo ich dann 2017 auch meinen ersten Profivertrag unterschrieben habe. Seit Jänner dieses Jahres spiele ich für den SKU Amstetten. Abgesehen vom Fußball war es meinen Eltern immer sehr wichtig, dass ich mich auch neben meiner sportlichen Laufbahn weiterbilde. So habe ich gleich nach meinem HAK-Abschluss mit dem BWL-Studium begonnen, welches ich dann im Herbst 2020 abgeschlossen habe. Zusätzlich war ich schon immer sehr an der Finanzbranche interessiert – Immobilien, Kredite, Aktien oder Geldanlage im Allgemeinen. Mit diesen Themen habe ich mich auch laufend während meines BWL Studiums immer wieder näher befasst.

Warum hast du dich dazu entschieden, auch abseits des Platzes eine Karriere zu starten?
Mir persönlich ist es sehr wichtig, die Gewissheit zu haben, auch abseits des Sports finanziell gut aufgestellt zu sein. Dazu habe ich mir auch schon während meiner Schulzeit viele Gedanken gemacht. Entscheidend war hier die Frage, wie ich mir während meiner aktiven Karriere etwas aufbauen kann, ohne dabei negative Auswirkungen auf den Sport zu haben. Mir war klar, dass das nur funktioniert, wenn ich mir die Zeit frei einteilen kann und das gemütlich von zu Hause aus erledigen kann.

Wie hat sich diese duale Ausbildung bei dir persönlich ausgewirkt?
Generell finde ich eine duale Ausbildung eine gute Sache, weil eine Aus-/Fortbildung und der Sport sich gut ergänzen und eine gute Abwechslung darstellen. Es gibt Zeiten, da läuft es vielleicht in einem der Bereiche nicht so gut. Dann ist man vielleicht trotzdem motiviert, weil im anderen Bereich gerade alles gut läuft.

Wie bringst du Sport und deine anderen Tätigkeiten unter einen Hut?
Der Sport steht bei mir ganz klar an erster Stelle. Solange ich aktiv Fußball spielen kann, ist das der wichtigste Bereich in meinem Leben. Es ist aber definitiv so, dass du als Fußballer ziemlich viel Zeit abseits von Trainings oder Spielen hast. Diese Zeit möglichst sinnvoll, effizient und wiederum zum Vorteil meiner sportlichen Karriere zu nutzen, hat meiner Meinung nach nur positive Aspekte. Wenn Möglichkeiten oder Ausbildungen die Kriterien der freien Zeiteinteilung und der Ortsunabhängigkeit erfüllen, habe ich bemerkt, dass die Beschäftigung abseits des Platzes die Performance auf dem Platz positiv beeinflusst.

Warum hast du dich dazu entschieden, konkret bei diesem Sportler Projekt dabei zu sein?
Das Thema Geldanlage wird in Österreich immer wichtiger. Für unsere Generation wird es im Alter schwierig werden, wenn man nicht selber aktiv und sinnvoll vorsorgt. Auch die Corona- Situation hat vielen gezeigt, wie wichtig es ist, Geld auf der Seite zu haben und abgesichert zu sein. Vielen ist dieses Problem nicht so wirklich bewusst, speziell auch im Fußball. Das Bewusstsein der Pensionsproblematik zu schaffen, ist für mich der erste große Auftrag, den ich durch dieses Projekt verwirklichen kann. Ein weiterer Hauptgrund war sicher auch die Ausbildung. Man hat hier die Möglichkeit, innerhalb von nur zwei Monaten einen staatlich anerkannten Beruf zu erlernen, der zusätzlich zum sozialpolitischen Auftrag eine sehr lukrative Chance bietet – das Ganze mit 0 Euro Startkapital. Darüber hinaus bietet dieses Projekt auch umfassende Seminare, in denen man sich in Sachen Persönlichkeit enorm weiterentwickeln kann. Man kann von sehr interessanten Persönlichkeiten lernen, die selber sehr erfolgreiche Unternehmer sind und normalerweise auch nur mit erfolgreichen Unternehmen zusammenarbeiten. Ganz egal, ob man sich dann auch in weiterer Zukunft in der Branche sieht oder ob man das Projekt als Sprungbrett oder zweites Standbein für sich selbst sieht, all diese Erfahrungen sind für das spätere Leben sehr wertvoll und machen es so spannend.

Wie waren die bisherigen Erfahrungen? Was konntest du daraus mit- nehmen/lernen?
Bis jetzt habe ich sehr positive Erfahrungen gemacht. Persönlich habe ich mich vor allem im Selbstmanagement und in Sachen unternehmerischem Mindset schon in dieser kurzen Zeit sehr weiterentwickelt, da ich meine freie Zeit ja möglichst effizient nutzen möchte. Zusätzlich waren alle bisherigen Gespräche durchwegs positiv. Ich konnte schon einigen mit dem Produkt weiterhelfen, andere haben sich für die Ausbildung interessiert und starten gerade, sich neben dem Sport weiterzuentwickeln. Auch finanziell gesehen hat es sich schon ausgezahlt. Das ist vor allem im Moment durch die Corona- Pandemie ein wichtiger Faktor. Die Situation am Markt ist wie überall anders momentan schwierig. Die Vereine haben durch die Austragung der Spiele ohne Zuschauer finanzielle Einbußen zu erleiden, zeitgleich gibt es viele Spieler, die auf der Suche nach Vereinen sind. Das alles macht es nicht einfacher und da ist es ein gutes Gefühl, durch ein zweites Standbein abgesichert zu sein.

Aus deiner Erfahrung als Mentalcoach, welchen Vorteil haben Fußballer durch eine parallele Ausbildung zum Sport?
Sehr viele Vorteile. Das wichtigste Argument am Beginn: es nimmt Spielern Druck, falls die Karriere nicht so verläuft wie geplant oder eine Verletzung dazwischenkommt. Mit einem zweiten Standbein kann der Spieler viel freier und unbeschwerter seiner Leidenschaft Fußball nachgehen. Durch die Planung der Ausbildung verbessern sie ihr Selbstmanagement, setzen sich konkrete Ziele und erleben auch abseits vom Platz Erfolgserlebnisse. Außerdem trainieren sie auch ihre kognitiven Fähigkeiten, die ihnen dann am Platz wieder zugutekommen.

Ist das Thema Aus- und Weiterbildung auch Teil deiner Arbeit als Mentalcoach?
Ich arbeite mit Fußballern in den verschiedensten Bereichen. Primär geht es um das Thema Leistungssteigerung. In der Zielearbeit mit jungen Spielern bringe ich das Thema sehr wohl ein, weil sie meist Fußballprofi als einzige Option im Kopf haben. Da zeige ich ihnen Möglichkeiten auf, welche Vorteile sie durch eine gute Ausbildung, auch als Profi, haben können. Und dann gibt es die Arbeit mit bestehendenen Bundesliga-Spielern, deren Fußball Karriere dem Ende zugeht. Hier gilt es, sie auf ein Leben nach dem Fußball vorzubereiten. Mit ihnen an Perspektiven zu arbeiten, mögliche Hürden zu meistern und ihnen ihre Stärken, die sie aus dem Leistungssport mitbringen, bewusst zu machen. Gerade ehemalige Leistungssportler, die teamorientiert, diszipliniert und fokussiert sind, haben im Wirtschaftsleben gute Chancen.


Interview: Oliver Prudlo