Karriere

Für mich zählt immer was jetzt ist – oder morgen

Mario Sonnleitner schnürte über elf Jahre die Fußballschuhe für Rapid – im Sommer kehrte er in die Steiermark zurück, wo er beim GAK, bei Kapfenberg und bei Sturm seine ersten Profijahre verbrachte. Ein Gespräch über eine bewegte Karriere und die Idee, Trainer zu werden.

Wie geht es Ihnen im Herbst Ihrer Karriere?
Mario Sonnleitner: Herbst trifft es wirklich. Winter ist es noch keiner (lacht). Es geht mir gut, ich bin fit, gesund, gut drauf und habe Spaß an meinem Job.

Können Sie jetzt den Sport noch mehr genießen als früher?
Das denke ich schon. Ich sage es auch immer wieder den jungen Spielern, dass wir den schönsten Job haben, den man sich vorstellen kann, und dass sie schauen sollen, ihn so lange wie möglich auszuüben. Wir arbeiten in der Natur an der frischen Luft, sind fit, haben keine Arbeitszeiten von 8 bis 17 Uhr und können unseren Traum leben als Profi. Und damit verdienen wir auch noch Geld. Das sollte man immer zu schätzen wissen.

Im Laufe einer Karriere ändern sich immer wieder die Ziele. Welche haben Sie jetzt bei Hartberg?
Ich möchte grundsätzlich so lange wie möglich fit und gesund bleiben, um den Job ausüben und Leistung bringen zu können. Ich möchte täglich an mir arbeiten, um mithalten zu können und natürlich auch Spiele gewinnen, und vielleicht auch das eine oder andere Tor schießen. Mit Hartberg die Top 6 zu erreichen wäre ein großer Erfolg. In der Tabelle ist alles eng beisammen, viele Vereine wollen Ähnliches erreichen, daher wäre es für einen kleinen Verein wie Hartberg mit so einem kleinen Budget so, als würde ein großer Klub einen Titel holen.

Was können Sie als Routinier den jungen Spielern vermitteln?
Ich habe schon viele Matches in den Beinen und somit eine gewisse Erfahrung, aber ich bin keiner, der das nach außen posaunt. Wenn wer Fragen hat, dann stehe ich immer zur Verfügung und versuche auch, den Spielern und dem Team Halt zu geben. Es gibt wohl nichts im Fußball, das ich nicht irgendwann erlebt hätte. Daher habe ich in manchen Situationen vielleicht Lösungsansätze parat. Ich kann sicherlich weitergeben, was es heißt, Profi zu sein und daran zu arbeiten. Das ist derzeit meine Rolle, wobei ich nicht ständig vermitteln möchte, weil das wäre für die Jungen eine Überflutung.

Die jungen Kicker gehören schon einer anderen Generation an, die auch sozial einen ganz anderen Zugang zu manchen Dingen des Lebens hat. Dringen Sie da zu Ihnen durch?
Teilweise ist es bei jungen Spielern vielleicht schwerer, das stimmt schon. Zumindest bei Rapid war es ab und zu so. Hier in Hartberg hören mir aber viele zu, meine Meinung wird respektiert und angenommen. Was die Jungen dann daraus machen, das ist ohnehin ihre Sache. Aber ja, ich war schon etwas überrascht, wie gut sie das annehmen.

Hat es vielleicht damit zu tun, dass Hartberg nicht wie Wien eine Großstadt ist mit all den Ablenkungen? Kann man hier leichter bodenständig bleiben?
Das ist sicher ein Grund, ein anderer ist, dass viele wissen, dass ich lange bei Rapid gespielt habe und dass es eben kein Zufall war, dass mein Vertrag dort immer wieder verlängert wurde. Aber auch jetzt muss ich hier in Hartberg mit Leistung überzeugen.

Gibt es Momente, wo Sie sich zurücklehnen und Ihre Karriere jetzt schon im Rückspiegel betrachten?
Nein, ich bin keiner, der gerne retour schaut. Es zählt für mich immer, was jetzt ist oder morgen. Damit bin ich meine ganze Karriere lang gut gefahren. Weil man als Fußballer immer im Hier und Jetzt zu 100 Prozent da sein muss. Vielleicht lehne ich mich am Ende meiner Karriere einmal zurück. Aber jetzt müssen manche Anekdoten zwischendurch ausreichen.

Bei Rapid haben Sie sich zu einem geschätzten und gemochten Spieler entwickelt. Hätten Sie das jemals gedacht?
Eher nicht. Der Abschied von Rapid ist mir sehr schwergefallen. In diesem Moment habe ich schon bemerkt, dass ich viel richtig gemacht habe. Leider habe ich keinen Titel mit Rapid geholt, das wurmt mich schon. Es macht mich aber schon stolz, so viele Jahre bei Rapid gespielt zu haben.

Sie haben über 400 Bundesligaspiele in den Beinen, haben somit viel erreicht. Wenn Sie schon nicht zurück- blicken, gibt Ihnen das ein gutes Gefühl?
Natürlich, als junger Bub wollte ich immer Profi werden. Man träumt auch vom Ausland, Angebote für diesen Schritt hatte ich vorliegen, aber es hat halt nie wirklich zu 100 Prozent gepasst. Jetzt möchte ich noch so lange spielen, wie mich meine Füße tragen. Und Spiele gewinnen möchte ich natürlich auch.

Was macht Ihrer Meinung nach Rapid so speziell?
Egal, wie viele Titel Red Bull Salzburg feiern wird, Rapid wird der größte Klub Österreichs bleiben. Der Verein hat so viel Energie, positive wie negative, hier kochen die Emotionen hoch, das ist ein Wahnsinn. Diese Emotionen machen den Sport aus, das ist für mich daran die Faszination. Rapid hat eine unglaubliche Wucht, egal in welche Richtung. Man glaubt das ja nicht, wenn man es nicht selbst erlebt hat.

Mit Ferdinand Feldhofer hat Ihr steirischer Landsmann Rapid als Trainer übernommen.
Ich wünsche ihm dafür auch alles Gute. Ich denke, er ist dafür der richtige Mann. Er verfolgt eine klare Idee, die muss er auch durchziehen. Und er weiß aus eigener Erfahrung als Spieler, wie es bei Rapid abrennt. Das kann nur helfen.

Sie sind seit vielen Jahren Mitglied der VdF. Eine treue Seele?
Den ersten Kontakt mit der VdF hatte ich gleich zu Beginn meiner Karriere durch den Konkurs des GAK. Ich war ein junger Spieler, dem in diesen Dingen noch der Durchblick fehlte, da hat mir die VdF in Person von Gernot Zirngast damals sehr geholfen, sodass ich dann doch den Verein wechseln konnte. Wer weiß, ob meine Karriere sonst so verlaufen wäre. Daran sieht man, wie wichtig es ist, jemanden auf der Spielerseite zu haben.

Junge Spieler hören heute immer mehr auf ihre Manager. Ist da die VdF wichtiger denn je zuvor?
Ja. Junge Spieler haben Berater, die aber selbst nicht unabhängig sind. Sie schauen, dass sie den Spieler verkaufen können, weil sie dafür dann die Provision erhalten. Die VdF hat den großen Vorteil, unabhängig zu sein. Sie hat nichts vom Verkauf des Spielers, weil alle Mitarbeiter ohnehin Angestellte sind. Die jungen Spieler müssen darüber hinaus verstehen, dass es auch um Solidarität untereinander geht. Wenn man bei Salzburg, Rapid oder Austria spielt, dann wird man eher keine Probleme mit Gehaltszahlungen haben. Bei großen Vereinen ist das nicht so ein Thema wie bei kleinen Klubs. Und da braucht es die Stimme aller.

Haben Sie schon einen Plan für die Karriere nach der Karriere?
Ich habe mich noch nicht intensiv damit beschäftigt. Aber ich glaube, dass ich ein guter Trainer werden könnte. Bisher verfüge ich über die B-Lizenz. Ich kann mir gut vorstellen, dass dies mein Weg sein kann: Spieler, Persönlichkeiten und Charaktere zu entwickeln.

Haben Sie als Verteidiger vielleicht den Vorteil, im Spiel immer den Überblick von hinten gehabt zu haben? Hilft das womöglich beim Trainer-Sein?
Das kann sein. Verteidiger oder defensive Mittelfeldspieler sind vielleicht vom Gefühl her analytischer als Offensivspieler, die mehr von ihrer Intuition leben, die für ein Team aber extrem wichtig sind. Es gibt weniger reine Stürmer oder Torhüter in den Trainerjobs als Mittelfeldspieler oder Verteidiger. Es geht da um Struktur und Plan, das kann helfen. Aber es braucht auch soziale Kompetenz, weil man immer mit Menschen zusammenarbeitet.

Was sagen Sie zur Entwicklung des Fußballs im vergangenen Jahrzehnt?
Es ist ein Wahnsinn, was sich getan hat. Genau genommen kann man behaupten, dass es sich um zwei verschiedene Sportarten handelt. Allein die technischen Hilfen, die es jetzt in der Trainersteuerung gibt mit all den Übungen und Kontrollmechanismen. Allein der Staff hat sich bei jedem Verein multipliziert, immer mehr Sparten haben sich professionalisiert. Früher habe ich meine Spiele noch auf Premiere aufgenommen und mir dann angesehen. Heute gibt es Scouting-Portale, wo ich auf Knopfdruck alle meine Zweikämpfe der letzten Saison einsehen kann.

Was erstaunt Sie am heutigen Fußball noch?
Wie schnell alles geworden ist. Alle Spieler sind athletisch. Wer nicht topfit ist, wird – bis auf ganz wenige Ausnahmen – einfach nicht mithalten. Heute muss jeder Spieler nach vorne wie nach hinten hackeln.

War es früher schöner?
Es war anders, man hatte mehr Zeit. Der Fußball ist aber spannender geworden. Er ist dermaßen intensiv, dass Fehler passieren, weshalb gefühlt mehr Tore als früher fallen. Wie viele Spiele enden über eine Saison lang noch 0:0?

 

Mario Sonnleitner
Geburtstag: 8. Oktober 1986
Geburtsort: Vorau

Stationen als Spieler
GAK (2003 – 2004), Kapfenberger SV (2004 – 05), GAK (2005 – 2007), Sturm Graz (2007 – 2010), Rapid Wien (2010 – 2021), TSV Hartberg (seit 2021)

Erfolge

19 Spiele fürs U21-Nationalteam Cupsieger (2010)

 

Interview: Gernot Baumgartner
Media: fotobyhofer