Einmal mehr zeigte sich, wie knapp im Fußball alles beisammen liegt. Ein Tor hätte alles geändert, hätte Österreich auf den zweiten Gruppenplatz und den Achtelfinal-Hit gegen England gebracht. Ein Tor, für das es im finalen Gruppenspiel gegen Island genügend Chancen gab. Eine wirklich gute Hälfte hätte beinahe gereicht, um ins Achtelfinale einzuziehen. Aber es reichte am Ende eben nicht. Was bleibt, ist der bittere Beigeschmack, unter Wert geblieben und somit vorzeitig heimgeflogen zu sein.
Optimale Vorbereitung
Dabei hatte alles so gut ausgesehen. Weil das eingetreten ist, was Österreich benötigt, um sich für ein großes Turnier zu qualifizieren: Es hat alles gepasst. Die wichtigsten Spieler hatten über fast zwei Jahre zumindest Normalform, Ausfälle konnten kompensiert werden, Fortuna lächelte den Österreichern in einigen Situationen bei wichtigen Spielen. Es war vollbracht, Österreich bei der EM und noch dazu Nummer 10 der Welt. Einerseits eine relative Zahl, auf der anderen Seite dennoch ein Ausdruck der guten Arbeit der letzten Jahre. Teamchef Marcel Koller und seine Schützlinge befanden sich auf einem guten Weg, die Spieler kamen gern zum Nationalteam, weil das Gefüge stimmte. Ob das nun für die kommende WM-Qualifikation dieselbe Gültigkeit hat, wird sich zeigen.
Der ÖFB jedenfalls hat nichts dem Zufall überlassen, um für eine optimale EM-Vorbereitung zu sorgen, zumal ja dem Team die große Turniererfahrung fehlte. Daher wollte man diesen Einfluss-Faktor minimieren. Begonnen hat die Reise in der Schweiz, in Laax. Dort, wo Marcel Koller ein Feriendomizil hat, sich daheim fühlt und die Umstände kennt. Die Bedingungen schienen trotz zeitweise schlechten Wetters perfekt, da man in der ersten Phase der Vorbereitung ohnehin auf Regeneration und mentale Abwechslung setzte.
Man ging in der Rheinschlucht spazieren, kühlte sich im Rhein bei einem Erfrischungsbad ab oder wagte sich im Klettergarten am Seil hängend unter den Baumkronen hoch hinaus. Man hatte den Eindruck, dass dies den Spielern Spaß bereitete. Vor allem das Trio Alaba, Arnautovic und Okotie hatten bei dem Drahtseilakt viel zu lachen. Garniert wurde das Trainingslager mit einem Testspiel gegen Schluein, einen Verein aus der sechsten Spielklasse der Schweiz. Ausgerechnet beim 14:0 probte Koller das erste und einzige Mal unter Wettkampf-Bedingungen das System mit der Dreier-Abwehrkette, das bei der EURO noch eine Hauptrolle spielen sollte.
Schlechte Vorzeichen
Es folgten die Tests gegen Malta und die Niederlande, beide nicht überzeugend. Bei den Fans machten sich Zweifel breit, ob das Team die gute Form aus der Qualifikation rechtzeitig vor dem Abflug nach Frankreich wieder erlangen wird können. Zumal wichtige Spieler wie Dragovic und Janko verletzt, andere wie Alaba oder Harnik nicht in Hochform waren. Die Spieler selbst trösteten mit dem Hinweis, dass man den Schalter im Kopf umlegen werde, wenn der Ernstfall eintritt. Österreich als Wettkampf-Team, das unter Druck am besten funktioniert. Man sollte sich täuschen.
Dann begann das Abenteuer EURO wirklich mit dem Abflug nach Frankeich. Am 8. Juni bezog das Team Quartier in Mallemort in der Provence. Ein kleiner, verschlafener Ort zwischen Avignon und
Tolle Bedingungen
Das Teamhotel Moulin des Vernegues spielte jedenfalls alle Stückerln, eine perfekte Unterkunft, um sich auf die kommenden Aufgaben in Ruhe vorzubereiten. Damit keine Langeweile aufkommt, wurde ein vielfältiges Unterhaltungsprogramm geboten: Players-Lounge, Tischtennis-Tisch, Dart-Scheiben, Swimmingpool mit Liegelandschaft, dazu einige Terrassen mit Korbsesseln und Kaffeehaus-Tischen, um abschalten oder miteinander plaudern zu können.
Das erste öffentliche Training in Mallemort lockte 500 Fans an, die kleine Tribüne war zum Bersten voll, die Sicherheitsmaßnahmen streng, aber freundlich. Selbst die Journalisten, die im anliegenden und hervorragenden Medienzentrum täglich arbeiteten, wurden jedes Mal beim Betreten des Areals aufs Neue genau durchsucht. Österreichs Team gab sich sympathisch, die Einheimischen sowie mitgereiste österreichische Fans freuten sich über die Gelegenheit, die Spieler so knapp vor Turnier-Beginn hautnah zu erleben.
Der Fehlstart
Und dann ging es los. Wie hatte Martin Harnik zuvor so treffend bei einer Pressekonferenz gesagt: „Wir haben hier eine Wohlfühl-Oase, die Bedingungen sind perfekt. Es gibt keine Ausreden, jetzt liegt es an uns.“ Was folgte, war leider zu wenig.
Groß war sie, die Hoffnung am Spieltag in Bordeaux. Österreichs Fans waren von einem Sieg gegen Ungarn überzeugt, die Stimmung im modernen, architektonisch äußerst interessanten Stade de Bordeaux war sehr gut. Zu Beginn. Nach 30 Sekunden traf Alaba die Stange, danach hatte er noch eine Großchance. Was folgte, ist bekannt: Österreich verlor den Faden, Ungarn gewann das Spiel 2:0. Bezeichnend das Bild des aus den Katakomben des Stadions humpelnden Zlatko Junuzovic. Für ihn war die EURO nach einer knappen Stunde schon zu Ende, Bändereinriss im Knöchel.
Österreich stand unter Druck, zeigte Nerven, auch wenn alle beteuerten, dass es nicht an der Nervosität gelegen hatte. Gegen Portugal durfte man plötzlich nicht verlieren. Das wussten auch die angereisten Anhänger, die den Lärmpegel im Prinzenpark-Stadion noch einmal erhöhten und für eine sensationelle Stimmung sorgten. Mit Glück und tollem Kampfgeist hielt man sich mit dem 0:0 im Turnier, was die Fans nach dem Spiel in den umliegenden Lokalen ordentlich feierten. Mitten drin war auch Ex-Teamspieler Michael Hatz, der sich eigens sein früheres Teamtrikot mit der Nummer drei übergestreift hatte. Patriotismus pur!
Die Hoffnung
Je schwieriger die Aufgabe wurde, desto mehr Fans kamen nach Frankreich. 35.000 waren es im Stade de France im finalen Gruppenspiel gegen Island. Ohrenbetäubend der Lärm, an der Unterstützung lag es nicht, dass Österreich heimfliegen musste. Viel eher daran, dass es nur eine Hälfte lang gelang, das echte Potential aufs Feld zu bringen. Nach einer äußerst schwachen ersten Hälfte mit dem ungewohnten System mit Dreier-Abwehrkette stellte Koller auf das übliche Konzept um und hätte damit beinahe den erwünschten Erfolg gehabt.
Was blieb, waren ein bitterer Beigeschmack und die Erkenntnis, dass ein Turnier eben doch eine völlig andere Situation als eine Qualifikation darstellt, wo dann andere Gesetze gelten. Dieses österreichische Team musste samt seinem Teamchef etwas Lehrgeld zahlen. So war die EURO kurz und schmerzhaft. Leider…