Als erste österreichische Fußballerin wagte die heute 24-Jährige 2012 nach Abschluss der BAKIP den Sprung von Abersee nach Übersee. Dort dockte sie in den USA bei den East Tennessee State University Buccaneers aus Johnson City an und absolvierte ihr Bachelor-Studium. Bereits im ersten Jahr wurde Zadrazil nach insgesamt vier Toren und zehn Assists in 18 Spielen zum „Freshman of the Year“ ausgezeichnet. Ein Jahr verging, die nächsten Auszeichnungen sollten folgen. 2013 wurde sie ins Team des Jahres der Atlantic Sun Conference berufen und zudem als „Player of the Year“ ausgezeichnet. Die Salzburgerin, die neben ihrer ersten Liebe – dem Fußball – der Mode und Kasnocken frönt, steht nach ihrer ersten vollen Saison für Turbine Potsdam in der Deutschen Bundesliga nun vor ihrem vorerst größten Coup: der Europameisterschaft in den Niederlanden.
Ihr habt die Meisterschaft auf Platz 3 beendet – wie zufrieden bist du mit der abgelaufenen Saison?
Sarah Zadrazil: Grundsätzlich bin ich schon sehr zufrieden. Ich habe ja nicht genau gewusst, was in der deutschen Bundesliga auf mich zukommt. Ziel des Vereins war es, besser als am Ende der Vorsaison, wo Turbine Potsdam Siebter wurde, dazustehen. Mit dem dritten Platz haben wir das Ziel absolut erreicht, aber am Ende hat man andere Ansprüche, wenn man so lange in der Tabelle ganz oben steht. Schlussendlich war der dritte Platz doch irgendwie eine Enttäuschung. Für mich persönlich ist die Saison ganz positiv verlaufen, da ich viel Einsatzzeit bekommen habe.
Du sprichst die Enttäuschung hinsichtlich des dritten Tabellenrangs an – ihr hattet bis zur 85. Minute des letzten Spieltags Platz 2 und somit das Champions League-Ticket in der Tasche…
SZ: Von den Rängen haben wir schon mitgebkommen, dass es bei den Bayern lange 0:0 stand. Wir haben unser Spiel gegen Duisburg gewonnen, also die Hausaufgaben erfüllt. Leider sind die Bayern dann doch noch in der 85. Minute in Führung gegangen. Aber im Endeffekt brauchen wir nicht zu jammern. Wir hatten es selbst in der Hand und sind somit auch selbst schuld.
Im Winter hattet ihr bereits fünf Punkte Vorsprung auf die Bayern. Wo verortest du die Probleme im Frühjahr?
SZ: Wir haben in den wichtigen Spielen nicht auf unsere Hinrunden-Leistungen zurückgreifen können, unter anderem gegen Bayern und Freiburg. Es entscheiden dann Kleinigkeiten. Bayern und Wolfsburg sind super Mannschaften, die entscheidenden Momente haben uns in den direkten Duellen einfach gefehlt.
Wo steht Turbine Potsdam in Relation zu großen Vereinen wie den Bayern oder dem VfL Wolfsburg?
SZ: Turbine Potsdam ist ein reiner Frauenverein, das merkt man auch in der Stadt. Ganz Potsdam ist stolz, dass wir in der Bundesliga so mithalten können. Die finanziellen Mittel sind im Vergleich zu den Bayern und Wolfsburg wohl nicht ganz so hoch, aber die Unterstützung von ganz Potsdam ist großartig. Wir haben auch den höchsten Zuschauerschnitt mit 1600, 1700 Zusehern. Gegen Wolfsburg und die Bayern kommen auch schon einmal 3000 Leute. Potsdam ist für das Zuschauerinteresse bekannt, es gibt einen eigenen Fanklub. Man kriegt auch von gegnerischen Spielerinnen gesagt, dass die Atmosphäre bei uns im Stadion super ist. Aber natürlich haben wir auch Spiele, wo weniger los ist.
Direkt gefragt: Kannst du vom Fußball leben?
SZ: Bei uns gibt’s viele, die nebenbei noch halbtags arbeiten oder studieren. Für mich persönlich ist das was ich als Fußballerin verdiene ausreichend. Ich kann gut davon leben, aber man spart sich nicht viel für die Zukunft. Umso wichtiger ist natürlich die Ausbildung. Für das Hier und Jetzt reicht es aber absolut. In Potsdam geht’s uns durch die vielen Sponsoren echt gut. Wir bekommen Wohnungen zur Verfügung gestellt, wir wohnen zum Teil in Wohngemeinschaften oder alleine. Zudem können wir Autos für ein Jahr zu einem sehr günstigen Preis mieten. Da fallen schon einige Fixkosten, die man sonst hätte, weg.
Wie sieht die typische Woche für dich aus?
SZ: Wir spielen meistens am Sonntag, am Montagabend folgt Regeneration oder Spielersatztraining für jene, die nicht im Einsatz waren. Der Dienstag ist unser freier Tag, ich nutze ihn um ins Fitnessstudio zu gehen. Am Mittwoch und Donnerstag haben wir jeweils vor- und nachmittags Einheiten, am Freitag und Samstag jeweils ein Training.
Was machst du außerhalb der Trainingszeiten?
SZ: Also ich treffe mich eben gerne mit Mitspielerinnen und geh aber echt gerne shoppen. Da geht’s dann gerne zum Kudamm nach Berlin, schließlich sind das mit der Bahn nur 25 Minuten.
Wird man in Potsdam auf der Straße erkannt?
SZ: Von Volleyball, Handball, Kanuten bis hin zu den Ruderern – Potsdam ist eine richtige Sportfamilie, aber speziell der Frauenfußball ist schon sehr bekannt und hat eine gute Fanbase. Man wird also schon ab und an erkannt, aber Autogramme gibt’s eher nur nach dem Spiel. Auf der Straße kommt’s eher seltener vor.
Klingt so, als würdest du dich in Potsdam rundum wohlfühlen…
SZ: Definitiv, die Stadt ist super, die Lage ist perfekt. In Potsdam gibt es viele Parks und Seen, die Stadt selbst nicht zu groß und nicht zu klein. Darüber hinaus ist Berlin gleich in der Nähe. Ich fühl’ mich wirklich sehr wohl.
Wie würdest du die Stimmung innerhalb der Mannschaft beschreiben?
SZ: Die Team-Atmosphäre ist super, viele meiner Mitspielerinnen wohnen im direkten Umfeld. Also du kannst deinen Kolleginnen schnell mit dem Fahrrad einen Besuch abstatten. Es gibt klarerweise ein paar Gruppen innerhalb der Mannschaft, die mehr miteinander unternehmen, man geht ja nicht immer mit der ganzen Mannschaft aus. Ich treffe mich aber auch mit Laura Feiersinger, meiner besten Freundin.
Dein damals unterzeichneter Zweijahres-Vertrag läuft noch bis nächsten Sommer. Wie sehen deine Ambitionen aus?
SZ: Die Deutsche Bundesliga ist wahrscheinlich die beste Frauenliga, weil sie sehr ausgeglichen ist. Natürlich gibt es speziell in den USA, in Frankreich und England auch echte Top-Mannschaften, aber das Niveau der Liga ist hier wohl das höchste. Ich bin erst ein Jahr in der Liga und fühle mich sehr wohl. Natürlich wäre das Erreichen der Champions League super gewesen, aber wir sind ja selbst nur sehr knapp vorbeigeschrammt und wer weiß, wie es nächste Saison läuft…
Zurück zu deinen Anfängen: Wie bist du ausgerechnet beim runden Leder gelandet?
SZ: Ich bin durch meine Familie zum Fußball gekommen. Mein Papa war Trainer und mein Bruder hat auch Fußball gespielt, wir waren also immer am Platz. Beim USC Abersee hab’ ich mit fünf Jahren begonnen und mit 15 bin ich dann zum USK Hof gewechselt. Ich habe früher viele andere Sportarten ausprobiert, aber Fußball hat sich durchgesetzt. Ich bereue es absolut nicht und habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Und ich mach es ja nur deshalb, weil es mir Spaß macht und aus keinem anderen Grund!
Du warst die erste österreichische Fußballerin, die den Sprung nach Amerika gewagt hat. Wie schwer fiel dir dieser Schritt in jungen Jahren?
SZ: Frauenfußball in den USA war schon immer mein Traum aufgrund des Stellenwerts des Fußballs in den Vereinigten Staaten. Im Zuge meiner Einsätze beim Nachwuchs-Nationalteam wurde ich nach einem Spiel vom Trainer des Colleges angeschrieben. Er hatte das Spiel gesehen und mich daraufhin eingeladen. Ich bin dann mit meinem Vater hingeflogen und war vom Konzept, der Community, dem Campus und dem Lifestyle begeistert. Ich würde es auch sofort wieder machen, es war eine tolle Erfahrung!
Beinahe wärst du länger in Amerika geblieben und nach deinem Studium bei den Portland Thorns in der NWSL gelandet – wieso hast du dich aber schlussendlich für Potsdam entschieden?
SZ: Ich habe die ganze Vorbereitung mitgemacht und auch Freundschaftsspiele für Portland absolviert. Es war wirklich cool dort und eine tolle Erfahrung. Portland war mannschaftlich extrem gut besetzt, dort hätte ich wahrscheinlich weniger Spielzeit bekommen. Im Hinblick auf die EM war das nicht ideal. Ich wusste zwar auch in Potsdam nicht, inwiefern ich mich durchsetzen würde, aber auch hinsichtlich der Abstellungsphasen für das Nationalteam, die es in den USA nicht gibt, war Potsdam im Vorteil und sicher der richtige Schritt. Die Vorbereitung mit Portland war unglaublich, da haben wir vor 16000 Zuschauern gespielt. Portland ist aber auch eine Ausnahme. Die Stadt ist eine richtige Soccer City mit vielen Zuschauern. Von Potsdam kam aber unter dem Strich das bessere Angebot, weshalb es für mich kein Dilemma gab. Und nachdem ich in Potsdam deutlich weniger weit entfernt von Zuhause bin, ist die Familie auch glücklich (lacht).
Wäre die NWSL (National Women Soccer League) finanziell eine andere Liga gewesen?
SZ: Das ist schwer einzuschätzen. In Amerika kann man natürlich extrem viel verdienen. Als Neuling in der NWSL ist es aber nicht mehr als wenn du in Deutschland startest. In Amerika ist es außerdem sehr schwer einen Vertrag zu bekommen. Es gibt nur drei internationale Plätze pro Verein bei zehn Klubs in der Liga.
Gut vermarktbare Frauen wie Hope Solo – braucht es das abseits des Platzes fast noch mehr als bei Männern?
SZ: Frauenfußball hat in Europa und speziell in Österreich noch nicht den Stellenwert, alsdass er extrem gut vermarktbar wäre. In Europa ist Fußball ein Männersport, in den USA ein Frauensport. Jedes Mädchen spielt Fußball, jede High School, jedes College hat Fußball für Mädchen im Programm. Davon sind wir in Europa noch weit entfernt.
Es gab in den USA eine Klage von Spielerinnen aufgrund des Lohnniveaus im Vergleich zu den Männern, die eigentlich erst später ins „Rampenlicht“ rückten..
SZ: In Amerika hat man als Frau auch durchaus ein gutes Argument, weil der amerikanische Frauenfußball erfolgreicher ist als jener der Männer, wenn man an die Titel der Frauen bei WM und Olympia denkt. Selbst das Medieninteresse ist bei den Frauen keineswegs geringer als bei den Männern, jedes Spiel des Frauen-Nationalteams der USA ist mit bis zu 40.000 Zuschauern ausverkauft.
SZ: Ein zweites Standbein zu haben war mir immer wichtig. Ich habe die Ausbildung zur Kindergartenpädagogin abgeschlossen und kann mir gut vorstellen, dass ich in dem Bereich später einmal arbeiten werden. In den USA habe ich zusätzlich den Bachelor in Exercise and Science gemacht. Ich muss schauen, wieviel mir davon in Deutschland auch anerkannt wird, denn ich möchte eigentlich mit dem Master fortsetzen. Wahrscheinlich muss ich einige Kurse nachholen, damit der Bachelor gleich viel wert ist. Ich habe mich jetzt ein Jahr nur auf Fußball konzentriert und das war echt angenehm, finanziell hat es gut gepasst. Wie sieht die typische Woche bei Turbine Potsdam aus?
Auf die „Europhorie“ bei den Männern folgte ein schneller Stimmungswechsel im Verlauf des Turniers? Welche Lehren kann man daraus ziehen und welche Ziele setzt ihr euch als Mannschaft bzw. du dir selbst?
SZ: Jeder träumt von so einem Großevent dabei zu sein, Vorfreude ist schon riesengroß. Wir sind uns unserer Rolle als Underdog sehr bewusst. Wir sind von Ranking schlechter als alle anderen Teams in der Gruppe. Wir versuchen von Spiel zu Spiel das Beste zu geben. Wenn wir im Kollektiv eine gute Leistung bringen, sind wir alle zufrieden, egal was rauskommt. Mein persönliches Ziel ist soviel Spielzeit wie möglich zu bekommen und eine gute Leistung zu bringen.
Wer sind die Führungsspielerinnen im Team?
SZ: Was uns auszeichnet ist das Mannschaftsgefüge, es ist schwer hier jemanden hervorzuheben. Klar ist aber, dass Viki (Schnaderbeck) und Nina (Burger) schon eher die Führungsspielerinnen sind, wenn man so will.
Wer sorgt für den Spaß in der Mannschaft?
SZ: Manuela Zinsberger ist immer gut dabei, aber auch Laura Feiersinger ist immer für einen Spaß gut. Wir sind generell eine lustige Truppe und haben reichlich Spaß.
Wer braucht länger vorm Spiegel – CR oder SZ?
SZ: Ich glaube Cristiano Ronaldo. Mir ist es nicht so wichtig, sich eine Stunde vor dem Spiegel zu schminken und die Haare zu machen. Natürlich will man etwas gleich schauen, aber das steht nicht im Vordergrund.
Apropos Cristiano Ronaldo: Gibt es einen speziellen Zadrazil-Torjubel?
SZ: Soviele Tore schieß’ ich normalerweise nicht. Insofern gibt es auch keinen individuellen Torjubel. Zumindest noch nicht (lacht).
Was müsste in Österreich passieren, um die Professionalisierung und vor allem die öffentliche Wahrnehmung zu steigern?
SZ: Die Fußballakademie war auf jeden Fall ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Auch die EM bringt hoffentlich mehr Interesse und Aufmerksamkeit im Kreis der jungen Mädels. Zusätzliche finanzielle Unterstützung wäre wichtig, aber hängt natürlich auch mit der Vermarktbarkeit zusammen.
Die Bedeutsamkeit des Nationalen Zentrums für Frauenfußball in St. Pölten wird oft genannt. Merkt man bei Kolleginnen aus den Akademien Unterschiede?
SZ: Ja, definitiv. Technisch sind die die jungen Spielerinnen die zu uns dazustoßen super ausgebildet. In den Akademien bekommen sie eine ganz andere Fußballlehre als jene Spielerinnen, die so wie ich in der Jugend bei den Jungs mittrainiert haben. Es war zwar sicher auch eine gute Ausbildung, weil die Burschen eben schneller sind und es körperliche eine andere Note hat, aber die mit einer heutigen Akademie ist das nicht vergleichbar.
Wo machst du Differenzen zwischen Frauen- und Männerfußball fest?
SZ: Man muss das aus meiner Sicht als zwei verschiedene Sportarten betrachten. Wir Frauen sind körperlich nicht imstande mit den männlichen Profis mitzuhalten, das ist einfach schon biologisch bedingt. Technisch stehen wir den Männern aber wenig nach, der körperliche Unterschied steht im Vordergrund. Insofern macht es auch keinen Sinn, beides in einen Topf zu werfen, um dann Vergleiche anzustellen.
Welchen Stellenwert hat die taktische Ausbildung?
SZ: Speziell im Nationalteam wird viel Wert auf Taktik gelegt. Unter Dominik Thalhammer bekommen wir eine extrem gute taktische Schulung, die für uns sehr wichtig ist. Also da gibt es sicher keinen Unterschied zu den Männern, was den Stellenwert betrifft.
Auf die Frage nach fußballerischen Vorbildern antworten Spielerinnen nicht selten mit männlichen Vertretern. Warum ist das so und wie sieht es dahingehend bei dir aus?
SZ: Als kleines Kind schaut man halt Männerfußball, da ja der Frauenfußball medial damals nicht annähernd so im Fokus war. Mein fußballerisches Vorbild von seiner Spielweise ist Toni Kroos. Im Frauenfußball gibt es aber mit Allie Long und Tobin Heath zwei Spielerinnen, die ich wirklich weltklasse finde und bewundere. Ich hatte das Privileg mit beiden bei Portland trainieren und spielen zu können.
Hand aufs Herz: Wie sieht es mit schmutzigen Fouls und Schwalbenköniginnen im Frauenfußball aus?
SZ: Eigentlich gibt es das aus meiner Sicht weniger. Wir sind generell im Spiel robuster und fallen nicht so leicht wie die Männer – so zumindest mein Eindruck. Es gibt weniger Theatralik am Feld, aber das ist wahrscheinlich Ansichtssache. Ich hab’ zumindest weder viele schmutzige Fouls noch zahlreiche Schwalben erlebt.
Dann hoffen wir, dass das auch so bleibt. Viel Erfolg bei der EM und herzlichen Dank für das Interview!